Digitalisierung: Storage und IT dürfen kein Flaschenhals sein
Ein Flughafen hat relativ viel mit einer IT- und Storage-Infrastruktur gemeinsam: Dr. Carlo Velten, Crisp Resarch, Vorstandsvorsitzender des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research, ist für seine kurzweiligen und überraschenden Vergleiche bekannt, so auch auf den Fujitsu Storage Days, die – Sie ahnen es – am Tour-Ziel München am Flughafen gastierten. Die Architektur mit den entsprechenden Wegen sei dabei ausschlaggebend für den Erfolg eines Flughafens. »Das Layout und Setup lässt sich nicht so schnell verändern und dies gilt auch für Rechenzentren«, vergleicht Dr. Velten. »Ein weiterer Erfolgsgarant ist das Equipment.« Ein Flughafen müsse zum Beispiel bei schlechten Wetterlagen schnell reagieren und benötigt dafür eine Infrastruktur, die dies ermöglicht. Oft genug handelt es sich dabei nicht um Standardgeräte, sondern »um viel »Customized-Zeugs«. Als Punkt 3 nennt er Operations und Prozesse bzw. eingespielte Teams.
Während ein Rechenzentrum dynamisch auf die Anzahl der Workloads reagieren müsse, muss sich ein Flughafen flexibel dem Passagieraufkommen anpassen. »Beide müssen auf bestimmte Vorkommnisse sehr, sehr schnell reagieren und skalieren«, schildert Dr. Velten. Was in der Praxis nicht immer ganz einfach sei.
Da sich die Anforderungen aber stetig verändern, gilt es auch für Rechenzentren, sich stetig weiterzuentwickeln. Womit wir zu dem Trendthema der letzten Jahre kommen: »Die Digitalisierung ist aber mittlerweile weit davon entfernt ein Hype zu sein, sondern sie hat viele Unternehmen sehr fest im Griff«, erklärt Dr. Veltens, in seiner Keynote.
Mittlerweile gibt es diverse Beispiele, wie mit digitalen Produkten nicht nur Geschäfte, sondern auch unzählige Daten generiert werden. Dies beginnt bei der elektrischen Zahnbürste und reicht über den Thermomix bis hin zu Analysen und zur automatischen Sprachübersetzung. Die IT-Abteilung muss sich aber nicht nur mit der Bereitstellung der Infrastruktur für jeweiligen Dienste befassen, sondern sich auch auf eine Interaktion mit den Kunden einstellen.
Digitalisierung benötigt schnellen Datenzugriff
»Wenn ein Kunde anruft und etwas zu seiner Bestellung, zu seinem Produkt oder dergleichen wissen möchte, werden alle Daten zu diesem Kunden benötigt – und zwar sofort«, hebt Dr. Velten hervor. »Die Daten müssen live, wie im Cache, zur Verfügung stehen. Da kann die IT-Abteilungen nicht sagen, das haben wir auf Tape wegarchiviert. Alles was in einem durchgängigen, digitalen Geschäftsprozess anfällt, zum Kunde, zum Produkt, muss auf Knopfdruck vorhanden sein.«
Die Art und Weise, wie Daten auf verschiedenen Storage-Systemen vorgehalten werden, ändert sich massiv. Das sogenannte Dark- bzw. Cold-Data kommt wieder. Bei einem Garantiefall ist es unerheblich ob der Datensatz seit drei Jahren nicht benötigt wurde, der Service-Mitarbeiter benötigt die entsprechenden Informationen während er mit dem Kunden kommuniziert.
Digitalisierung betrifft alle Unternehmen
Crisp-Studie: Mehr als 85 Prozent der befragten Firmen sehen sich von der Digitalisierung betroffen.Die Verfügbarkeit von Daten und der schnelle Zugriff sind erfolgsentscheidend. Daten-getriebene Firmen (Data-driven Companys) benötigen dafür Analytics und Metriken in Echtzeit. »Und dies in allen möglichen Abteilungen«, mahnt Dr. Velten. »Die Produktion, das Marketing, der Vertrieb, alle benötigen Zugriff auf die Produktivsysteme, um ihre Analysen zu ziehen.« Diese Anforderungen wirken sich auf die Storage-Infrastruktur aus. Der Datenhunger kennt hier keine Grenzen, vor allem auch, wenn Firmen Modellfarmen aufbauen, um mögliche Zukunftsszenarien zu simulieren oder sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigen. Damit die Systeme lernen, benötigen sie Daten, viele Daten und nicht nur die von gestern, sondern über Jahre hinweg. Darauf müssen sich IT-Abteilungen vorbereiten.
Die Digitalisierung ist in den Unternehmen angekommen, auch im Mittelstand. Nun müssen aber die IT-Abteilungen zusehen, dass sie den Anforderungen auch nachhaltig gewachsen sind. Einer Crisp-Studie zufolge, sehen sich 64 Prozent der befragten Unternehmen als stark von der Digitalisierung betroffen, 21 Prozent sogar als sehr stark. 13 Prozent spüren nur einen geringen und lediglich 1,6 Prozent gar keinen Einfluss. Vor rund zwei Jahren hatten Unternehmen die Digitalisierung zwar wahrgenommen, sahen aber keinen Einfluss auf das eigene Geschäft. Dies ist nun vollkommen anders.
Daten sind das neue Gold
Der Umgang mit den Daten ändert sich massiv. »Daten sind das neue Gold«, witzelt Dr. Velten. Es sei aber unverkennbar, dass Daten als strategisches Asset betrachtet werden. Mit diesem Hintergrund versucht das Management den Delete-Button quasi abzuschaffen. Wer weiß, für was die Informationen noch benötigt werden könnten. »Firmen müssen zwar in der Lage sein Daten zu löschen – siehe die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – aber das fällt vielen Unternehmern schwer«, sagt Crisp-CEO Dr. Velten. »Kunden können künftig darauf bestehen, dass ihre Daten – nachweislich – gelöscht werden.« Es gebe hier noch keine belastbaren Informationen wie es in der Praxis funktioniert, wenn Hunderte oder gar Tausende User Informationen über Ihre Daten anfordern. Genügend Firmen dürften hier noch auf »Handarbeit« angewiesen sein. Auch wenn das Management keine Daten löschen möchte, die IT-Abteilung wird hier den Bogen zur DSGVO spannen müssen.
Storage im Zeitalter der Digitalisierung
Treiber für neue Strategien und Konzepte des Daten- & Storage-Managements.»In unseren Umfragen nennen wir den Firmen eine Reihe an möglichen Treibern, die relevant sein könnten und wenn mehr als drei für die Unternehmen in Frage kommen, sollten sie sich Gedanken über neue Strategien und Konzepte bezüglich Storage- und Daten-Management machen«, erklärt Dr. Velten.
Das jährliche Datenwachstum liegt aktuell bei 30 bis 40 Prozent. Weltweit soll das Datenvolumen bis 2020 auf über 50 ZByte ansteigen. Im Zuge dessen ist die Verfügbarkeit das Hauptthema für IT-Abteilungen. »Es wird ein intelligenter Storage-Mix benötigt, der den verschiedenen Verfügbarkeitsklassen sowie den Performance-Anforderungen unterschiedlicher Anwendungskategorien Rechnung trägt«, erläutert Dr. Velten. »Und, was viele heute noch nicht wissen, wie sich die Anforderungen der Endkunden, die von außen auf die Systeme zugreifen, in ein oder zwei Jahren entwickeln.« Das heißt, ein Speicher, der letztes Jahr internen Ansprüchen genügte, reicht nicht automatisch aus, um eine digitale Applikation oder App nach draußen zu bedienen.
Der Anteil an aktiven Daten nimmt zu. »Es werden künftig mehr Datenbestände aus dem Cold-Storage zurück in einen aktiven Modus wechseln«, hebt Dr. Velten hervor. »IT-Abteilungen müssen mehr Daten für verschiedenste Use-Cases verfügbar halten.« Die IT wird sich noch schneller als bisher up-to-date halten müssen. Was auf jeden Fall zu vermeiden sei ist, dass Storage und Infrastruktur als Flaschenhals wahrgenommen werden.
»Das ist eine gefährliche Sache«, mahnt Dr. Velten. »Viele IT-Leiter und CIOs haben in der ersten Wochen 2018 einen neuen Chef bekommen und der heißt auf einmal Digital Officer.« Da wird aus jemanden, der bisher eher so am Rande als Evangelist und Workshop-Organisator agierte, Chef der Digital Business Unit. Darunter werden Marketing und IT aufgehangen und die IT plötzlich nach ganz anderen Kriterien beurteilt. Da treffen womöglich ganz neue Kulturen aufeinander.
Weg von der Nein-Sager-Mentalität
Traditionelles vs. digitales Unternehmen: Das Datenverständnis ändert sich radikal.Veltens Rat an die in München anwesenden Teilnehmer des Storage Days: »Sagen Sie häufiger Ja. Zu den Erfolgsrezepten von Google gehört, dass keine Idee pauschale abgelehnt wird. Man lässt die Leute erstmal machen und Dinge entwickeln, bevor man sie dann – kritisch – beurteilt.
Öffnen Sie sich für außergewöhnliche Ideen aus diesem Digitalisierungsumfeld. Denn – und das ist klar – man ist auf Ihre Hilfe in extremer Form angewiesen. Egal aus welcher Abteilung eine tolle Idee, neue Apps oder dergleichen kommen, es fehlt dort am tiefergehenden technischen Verständnis für die Infrastruktur, die für die Lösungen untendrunter benötigt wird.« Auch fehle das Verständnis für IT-Stückkosten bzw. was es kostet, um zum Beispiel für zwei Millionen Leute einen kostenlosen Dienst zur Verfügung zu stellen. Sobald eine Idee im freien Feld tatsächlich skaliert, sei es die Aufgabe der IT diesen Dienst auf einer »schmalen Infrastruktur« anzubieten.
Storage und IT müssen ein Enabler sein
Dr. Carlo Velten, Crisp: »Storage und IT sind die Enabler der Digitalisierung«Wie gesagt ändere sich der Umgang mit den Daten. Jede Abteilung glaubt Zugriff auf bestimmte Daten haben zu müssen. Früher wurden dafür die Genehmigungen von zwei Hierarchieebenen benötigt, nun im Always-On-Zeitalter wird vieles als selbstverständlich vorausgesetzt.
Dem müssen ITler heute Rechnung tragen. »Daher darf Storage und die IT kein Flaschenhals sein«, mahnt Dr. Velten, »sondern der Enabler der Digitalisierung.« Wenn man seinen Job ordentlich mache und mit den Leuten offen kommuniziere, sei sie dies in der Regel auch.