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EU-Urheberrechtsreform: Drama in 3 Artikeln

EU-Urheberrechtsreform: Wir fassen das Drama um die Artikel 11, 12 und 13 nochmal zusammen.Danke Wikipedia! Um ein Zeichen für eine Modernisierung des Urheberrechts in Europa zu setzen, geht die Online-Enzyklopädie für 24 Stunden offline. Wikipedia protestiert damit auch gegen Teile der geplanten EU-Urheberrechtsreform, die am 27. März vom Parlament der Europäischen Union verabschiedet werden soll.

Das halte ich für ein starkes Zeichen, denn die Wissensplattform ist selbst nur in Teilen betroffen. Wikipedia ist ausdrücklich von Artikel 13 ausgenommen.

Ich bin eigentlich weit davon entfernt, über Politik zu schreiben. In diesem Fall kann ich nicht anders, auch wenn quasi schon alles gesagt ist. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto grantiger werde ich, über die Ignoranz und Missachtung von so Leuten wie dem Herrn Voss. Bei den letzten Wahlen gab es für die »etablierten« Parteien Watschen ohne Ende. Wir haben es bestimmt noch alle im Ohr, dieses »wir müssen transparenter werden«, »näher an den Wähler ran«, »alles besser machen« - letztlich alles nur blablabla.

Gefühlt die ganze IT-Branche erklärt, dass ein Upload-Filter nicht funktionieren wird. Aber warum auf Experten hören, was wissen die denn schon…?

Um eines klarzustellen, ich und die anderen sogenannten »Kritiker« sind nicht gegen ein Urheberrecht! Ganz wichtig! Wir wehren uns dagegen, dass dieses Gesetz nun zur Abstimmung kommt. Und ich sehe uns übrigens nicht als Kritiker.

Ich bin sicher, auch hier auf speicherguide.de haben sich viele Leser noch nicht mit der Thematik auseinandergesetzt. Da habe ich auch Verständnis dafür. Daher fasse ich hier noch einmal kurz zusammen, worüber wir uns aufregen sollten und verweise auch auf drei Videos des Youtube-Kanals Utralativ, die die Sachlage kurz und prägnant zusammengefasst haben.

Artikel 11 und Linksteuern in langsam


Artikel 11 kennen wir hier in Deutschland schon vom sogenannten Leistungsschutzrecht. Die Kurzform: Die großen Zeitungsverlage haben durchgedrückt, dass Suchmaschinen wie vor allem Google, dafür zahlen sollen, damit sie in den Suchergebnissen eine Überschrift und ein paar Zeilen Text (Snippet) anzeigen dürfen, denn der Text sei ja ein Eigentum des jeweiligen Verlags. Zudem herrscht die Annahme, dass potentielle Leser, durch die Suchinfo schon gesättigt wären und nicht mehr weiter auf die Webseiten der Verlage gehen würden. Der Vorwurf lautet: Google nimmt eine Leistung in Anspruch, ohne dafür zu bezahlen bzw. für Einnahmen bei den Verlagen zu sorgen.

Das Leistungsschutzrecht schützt quasi die Aufbereitung und kommerzielle Nutzung eines Werks. Das heißt, die Arbeit einer Zeitung.

Google müsste sich nun mit den Verlagen, auf die sie verlinken, auf eine angemessene Entschädigung einigen. Hier wird auch von Linksteuer gesprochen. Wie gut das nicht funktioniert hätte das EU-Parlament bei uns in Deutschland sehen können. Seit 2013 gibt es bei uns das Leistungsschutzrecht. Es wurde von den großen Presseverlegern mit großem (finanziellem) Aufwand initiiert. Gebracht hat es rein gar nichts, weil letztendlich alle großen Verlage eiligst Google die Erlaubnis gegeben haben, ihre Inhalte kostenlos in den Suchergebnissen anzuzeigen. Klar, die bloße Androhung aus den Sucherergebnissen zu verschwinden, hat zu einem sofortigen Einlenken geführt.

Spanien hatte dies auch versucht, dort hat Google seinen News-Dienst abgeschalten und binnen Tagen verzeichneten Presseverlage 10 bis 15 Prozent weniger Nutzer.

Nun könnte man natürlich darüber diskutieren, ob Google zu viel Macht hat. Fakt ist aber, Google ist die Nummer 1 Suchmaschine der weltweiten Nutzer. In dem Sinn haben sie irgendwo auch sehr viel richtig gemacht. Ich finde die Intransparenz des Unternehmens schon auch blöd. Andererseits kann man der Trickserei vermutlich nur so aus dem Weg gehen.

Es steht außer Zweifel, dass sich Google & Co auch europaweit nicht auf eine Linksteuer einlassen werden. Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass auch wir, wie alle Webseiten, eine Lizenz erwerben müssten, um kurze Textausschnitte aus Presseerzeugnissen anzuzeigen. Das erschwert beispielsweise das kuratieren von Inhalten anderer Publikationen. Machen wir hier auf speicherguide.de selten, aber ausgeschlossen ist es nicht.

Artikel 11 könnte die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit beeinträchtigen.

Wahrscheinlich wird Artikel 11 in der Anwendung nicht so »heißt gegessen, wie er gekocht wird«. Was mich ärgert, ist die Missachtung der Gesetzmäßigkeiten des Webs. Als kleines Online-Fachmagazin sind wir über jeden Backlink froh, der auf uns gesetzt wird. Auch wenn man es uns nicht ansieht, aber wir strampeln so gut es geht, damit wir in den Google-Suchergebnissen möglichst weit vorne liegen. Und dann kommen so großkotzige Verleger daher, die vom Internet keine Ahnung haben, sich für den Nabel der Welt halten, deren Reformen im eigenen Verlag immer zu Lasten der Redaktion gehen, spannen ahnungslose Politiker für ihre Zwecke ein und der Rest kann schauen, wo er bleibt.

 Artikel 12 und Zeitreisen in langsam

Die Verlage wollen ein Stück des Kuchens zurück, bis zu 50 Prozent. Die Reform schwächt daher die Position der Urheber – auch wenn die Befürworter dies in der Kommunikation eher verschleiern.

Hierzu ein kurzer Exkurs: Damit die Urheber bei möglichen Privatkopien der Nutzer nicht leer ausgehen, wurde eine Art Kompensation geschaffen, die Urheberrechtsabgabe. Deswegen geht ein kleiner Teil des Kaufpreises eines USB-Sticks, Smartphones, DVD-Rohlings oder Kopierers als Privatkopieabgabe an eine Verwertungsgesellschaft (z.B. VG Wort oder die GEMA für Musik). Und mit der IT wurde es auch erst so richtig einfach Kopien zu erstellen. Früher wurden Musikkassetten überspielt, dann CD-ROMs kopiert und heutzutage MP3-Dateien einfach kopiert und weitergeleitet.

Bis 2015 wurden die Abgaben zwischen Urhebern und Verlagen geteilt, dann entschied aber der Europäische Gerichtshof, dass die Abgabe alleine den Urhebern zustehen. Der Bundesgerichtshof folgte diesem Urteil. Seitdem können zum Beispiel bei der VG Wort gemeldete Autoren angeben, ob sie dem jeweiligen Verlag einen Teil abgeben möchten oder nicht. Seit 2017 darf auch die GEMA nicht mehr Musikverlage grundsätzlich an den Pauschalen beteiligen, wenn der Urheber nicht ausdrücklich seine Einwilligung dazu gibt.

Das heißt, aktuell erhalten Urheber 100 Prozent der pauschalen Abgaben. Im Falle der VG Wort waren dies für das Jahr 2018 etwas über 29 Euro pro Artikel der einen bestimmten Umfang hat und eine vorgegebene Mindestaufrufzahl in einem Jahr erreicht. Artikel 12 will nun die alten Verhältnisse wiederherstellen. In Ländern, in denen vorher Abgaben an die Verlage gezahlt wurden, soll dies nun wieder gängige Praxis werden. War dies in Ländern noch nie der Fall, wie beispielsweise in Schweden, muss die Abgabe nicht geteilt werden.

Damit schwächt die EU-Urheberrechtsreform die Position der Urheber. Währenddessen tun die Befürworter so, als ob sie sich für das Wohl der Urheber einsetzen würden. In Artikel 11 wollen die Verlage über die Linksteuer kassieren und über Artikel 12 bis zu 50 Prozent Urheberrechtsabgabe einkassieren. Finde den Fehler…

Artikel 13 und Uploadfilter in langsam


Die Befürworter fordern für Künstler und Urheber eine rechtmäßige Bezahlung, wenn ihre Werke veröffentlicht werden. Das wäre grundsätzlich begrüßenswert. Allerdings ist das »Wie«, der Hauptgrund für den ganzen Ärger von Artikel 13.

Bisher galt das »Notice und Takedown«. Das heißt, wird eine Plattform auf eine Urheberrechtsverletzung hingewiesen, muss sie dagegen etwas unternehmen. Unternimmt sie nichts, kann sie rechtlich in Haftung genommen werden.

Mit Artikel 13 sind Online-Plattformen pauschal für alle Inhalte verantwortlich, die ihre Nutzer hochladen. Wir sprechen hier natürlich in erster Linie von Youtube, Facebook & Co, aber letztendlich würden wir von speicherguide.de auch für Eure Kommentare haften. Klingt bei uns erstmal ungefährlich, aber zitiert ein Nutzer ein Stück Text von jemanden, der uns dafür keine Nutzungsrechte eingeräumt hat, kann das für uns Konsequenzen haben.

Laut Artikel 13 sollen Online-Plattformen Lizenzvereinbarungen mit Rechteinhabern treffen, damit Nutzer die entsprechenden Inhalte hochladen können. Hier beginnt der Denkfehler, denn wir sind alle Urheber. Mit jedem Sonnenuntergang, jedem Food- und Katzenbild werden wir zu Rechteinhabern. Damit scheidet eine allumfassende Lizenzierung schonmal aus.

Ich zitiere Utralativ: »Es ist unmöglich und ehrlich gesagt alarmierend, dies aus der Feder vermeintlicher Experten lesen zu müssen.«

Zweites Problem: Als Plattform müssten wir verhindern, dass Inhalte hochgeladen werden, für die wir keine Rechte haben. Sprich wir benötigen einen Filter. Auch wenn die Befürworter gerne betonen, dass nirgends das Wort »Upload-Filter« benutzt würde, ist dies die einzig mögliche Konsequenz.

Mir geht es gar nicht darum, ob so eine Software ein mögliches Satirevideo oder Memes erkennen kann. Wobei ich die Bezeichnung Memes bis dato gar nicht kannte… Egal, praktisch müssten alle Inhalte, für die ich keine Rechte habe, in der Filter-Software hinterlegt werden, damit die sicher ausgesperrt werden. Das ist aber wie gesagt nicht möglich und mit allen Rechteinhabern können wir auch kein Abkommen treffen.

Auch zweifle ich stark an, dass die Filter intelligent genug sind. Wir fotografieren zum Beispiel eine Festplatte von Seagate, Toshiba oder Western Digital und verwenden diese in unseren Beiträgen auf Twitter, Facebook und Youtube. Die Hersteller haben jeweils mehrere Fotos von ihren eigenen Produkten, dann gibt es eventuell ein paar Kollegen, die diese Bilder ebenfalls nutzen oder eigene Fotos geknipst haben, plus weltweit ein paar tausend Nutzer, die ebenfalls Spaß daran haben, ihre Festplatten zu fotografieren. Und jetzt möchte ich die Software sehen, die jedem einzelnen Urheber das Recht an seinem eigenen Foto zugesteht.

Artikel 13: Argumente der Befürworter widerlegen – Mit Rezo | RA Christian Solmecke



Mit über einer Stunde etwas lang, aber sehenswert: Rechtsanwalt Christian Solmecke und der Youtuber Rezo. Die beiden widerlegen anschaulich die Argumente der Befürworter. Ist wie gesagt lang, aber danach weiß man was Sache ist.

So entsteht Politikverdrossenheit

Abschließend kann ich nach wie vor nur den Kopf schütteln. Ich sehe es ähnlich wie der Kollege Samuel Jakisch vom ARD-Studio Brüssel: »So entsteht Politikverdrossenheit«! Treffender kann man es fast nicht zusammenfassen: Das Europäische Parlament macht nicht nur vieles falsch, sondern vergrault sich vor der Europawahl auch eine überwiegend junge pro-europäische Wählergruppe. Dass hier der gesunde Menschenverstand zu Gunsten von Lobbyarbeit außen vor bleibt, ist sowas von ersichtlich… 🙈🙊🤬




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