Macht uns das Internet doch klüger?
*** Blog von Engelbert Hörmannsdorfer, speicherguide.de-Redaktionsmitglied ***
Zehn Thesen haben die beiden Autoren dazu aufgestellt. Die Gedankenfülle ist geradezu berauschend. Klar, Cole und Urchs gelten gemeinhin als Vordenker. Also müssen sie auch Position beziehen. »Alles was sich digitalisieren lässt, wird digitalisiert. Alles, was sich vernetzen lässt, wird vernetzt. Und das verändert alles!«
Klingt zunächst banal. Aber die Auswirkungen sind revolutionär. Das beginnt bei einer neuen Intertainment-Welt – und reicht auch hin bis zu verdeckter Kontrolle und Manipulation (NSA und »Prism«). Ja, auch das gibt es, leider. Das Internet mit seiner Digitalisierung – es verändert alles, wie wir Realität verstehen. Beispielsweise bei der Musik: Wer digital speichert – kann Informationen verlieren. Jeder mit einem gesunden Gehör soll mal ein Musikstück einer CD mit der einer Langspielplatte vergleichen – der Klang einer LP ist einfach besser.
Jeder kann zumindest eines: das Internet genießen
Die Autoren nutzen hier einen interessanten Trick, der sich wie ein kleiner roter Faden durchs Buch zieht: Wer die Veränderungsreichweiten des Internets nicht abschätzen kann – der kann es zumindest genießen. Und eine freche These: Das Internet hat deshalb eine große Chance, weil dem menschlichen Denkmuster entgegenkommt. Die Autoren betrachten es als einen Verstärker von menschlichen Eigenschaften, Fähigkeiten und Bedürfnissen. Vor allem ist das Internet als Transportmedium von Informationen und Nachrichten – im Gegensatz zu gedruckten Zeitungen und Magazinen keine Einbahnstraße.
Klar, Cole und Urchs sind Optimisten, was das Internet anbelangt – aber eindeutig kritische. Sie drängen sich nicht die Rolle klassischer Aufklärer. Eher die der anregenden Fragesteller. Wer also klare und eindeutige Antworten in dem Buch erwartet, wird möglicherweise enttäuscht. Ich meine aber: Da im Internet sowieso alles ständig im Fluss ist, kann es ohnehin keine Antworten geben. Wer aber das Buch als Anleitung für Diskussionen und zum Nachdenken ansieht, liegt eindeutig richtig.
Und deswegen macht uns das Internet eben doch klüger, weil es uns nach Meinung der Autoren zwingt, selbst nachzudenken. Das Internet zwingt uns, aus unserer Komfortzone – zum Beispiel dem einfachen Zeitungslesen – herauszugehen.
Ich fordere: Pflichtlektüre an Schulen
Ich könnte mir deshalb beispielsweise vorstellen, dass das Buch Pflichtlektüre an Schulen wird. Lehrer könnten jede der zehn Thesen infrage stellen, darüber diskutieren – und in Referaten abhandeln und durchdeklinieren lassen. Das würde jungen Menschen mehr helfen, als das Auswendiglernen von Gedichten.
Fazit: Von der Ausgangsfrage ausgehend (»Macht uns das Internet klüger?«) sollte die Antwort lauten: Ja, das Internet macht uns klüger. Gilt allerdings nur für diejenigen, die sich etwas mehr damit befassen, auch mal etwas hinterfragen, etwas zur Diskussion stellen – und genau für diejenigen ist das Buch erste Wahl.
Mit internetaufklärerischen Grüßen
Engelbert Hörmannsdorfer
Buchinfo: »Digitale Aufklärung: Warum uns das Internet klüger macht«, Ussi Orchs & Tim Cole, Carl Hanser Verlag, 2013, ISBN 3446436731, 280 Seiten, 18,90 Euro (Print-Version), 14,90 Euro (Kindle-Edition)