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Der Cyberwar ist eröffnet

Wikileaks-Logo
Rekapitulieren wir mal, was die letzten Wochen, bzw. vor allem die letzte Woche passierte. Beispielsweise ist die Enthüllungs-Webseite Wikileaks seit vorgestern Morgen über den offiziellen Domainnamen wikileaks.org nicht mehr erreichbar. (Stattdessen nur noch über das direkte Eintippen der IP-Adresse http://46.59.1.2.) Der bisherige DNS-Service-Provider EveryDNS.net hat einfach seine Dienste aufgekündigt. Das Internet-Unternehmen sah sich extremsten Hackerangriffen mit so genannten DDoS-Attacken (Distributed Denial of Service) ausgesetzt. Man musste kündigen – um die Services für die anderen Kunden nicht zu gefährden, heißt es. Glauben Sie es? Ich nicht.

Diese Woche sprang auch Amazon ab, Wikileaks-Inhalte zu hosten. Auch das wurde offiziell mit einem Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen begründet. Im Amazon-Fall konstruierte man es so: Wikileaks halte nicht die Rechte an den am Wochenende veröffentlichten US-Dokumenten, meldete »Wall Street Journal«. Zudem sei anzunehmen, dass sich in den 250.000 Dokumenten auch Inhalte finden, die Personen in Gefahr bringen. Glauben Sie es? Ich nicht.

US-Diplomaten schäumen jedenfalls vor Wut über die Wikileaks-Veröffentlichung. Der Zornesanfall ist so groß, dass in den USA doch glatt ein US-Senator angeregt haben soll, Wikileads-Chef Julian Assange hinzurichten. Ach ja, gegen Assange liegt ein obskurer Verhaftungsbefehl wegen angeblicher sexueller Nötigung zweier Schwedinnen vor. Es wird wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Assange irgendwo auf der Welt verhaftet wird. Glauben Sie den Vorwurf? Ich nicht.

Und dann geistert seit einigen Wochen der Virus »Stuxnet« herum. Stuxnet zielt auf die Manipulation von Steuerungssystemen von Produktionsanlagen, wie sie im Energiesektor oder in der chemischen Industrie eingesetzt werden. Die Gefährlichkeit des Wurms, der Computer mit der Siemens-Software »WinCC Scada« befällt, beruht unter anderem auf seinem Verbreitungsweg: Es reicht ein präparierter (oder befallener) USB-Stick. Interessanter Zufall, dass der Virus iranische Produktionsanlagen besonders intensiv befällt. Security-Spezialisten sind sich sicher, dass der Virus eine Hacker-Auftragsarbeit der US-Regierung war. Das wird natürlich dementiert. Glauben Sie das Deminti? Ich nicht.

Fakt ist: Man kann heute ein Land oder eine ganz spezielle Industrie gezielt digital angreifen. Was ist, wenn der US-Automobilindustrie die Erfolge der deutschen Autobauer missfallen? Ein Virus richtet alles. Oder wenn die schweizer Pharmaindustrie der amerikanischen ein paar Marktanteile zu viel abgejagt hat? Keine Sorge, irgendwo wird schon Stuxnet 2.0 programmiert.

Das Schlachtfeld wird aufgerollt. Wir sind die Truppen. Es geht darum, auf welche Seite wir uns stellen. Natürlich die des eigenen Landes, werden Sie jetzt sagen. Aber im digitalen Universum verwischen Ländergrenzen. Klicken Sie auf Wikileaks, um der Website zu erhöhten Klickraten und damit Einnahmen zu verhelfen? Oder eher nicht, weil ihr Chef gerüchteweise vielleicht doch nicht koscher ist? Merken Sie, schon beginnt die Schere im Kopf zu arbeiten. Millionen von Klicks auf einer bestimmten Website – oder eben Millionen von Klicks auf einmal nicht mehr –, und schon haben sich Unternehmensgrößenunterschiede möglicherweise verschoben.

Welcher Information vertrauen Sie noch? Und richten Sie danach Ihr Klickverhalten aus? Ob Sie wollen oder nicht: Auch Sie sind ein Teil des Cyberwars, des Informationskriegs. Es gibt ihn schon länger. Aber jetzt ist er für jeden ersichtlich.

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