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Datenüberwachung USA: Ein Skandal, der keiner sein kann

NSA, CIA, FBI, der Präsident – sie alle hören mit und speichern mit. Ein Skandal? Wohl kaum, eher etwas, was man ahnt, aber nicht wahr haben will. Der Datenschnüffelskandal in den USA zeigt deutlich, wie unmöglich der Spagat zwischen nationaler/internationaler Sicherheit und dem Recht auf persönliche Freiheit zu schaffen ist.

Ein neuer Datenschnüffelskandal erschüttert Amerika und die Welt: Namhafte Unternehmen sollen beispielsweise vom NSA-Schnüffelprogramm »Prism« gewusst haben – sie dementieren. Telefon- und Internet-Anbieter gaben Verbindungsdaten preis. Ebenso wurden die Ziele der USA im Cyberwar preisgegeben und eine Informationsweltkarte zutage gefördert. Die Diskussion, die jetzt losgetreten wurde und sich lawinenartig auf interessierte Leser ergießt, geht eigentlich am Punkt vorbei.

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Worin liegt denn der eigentliche Skandal? Darin, dass niemand davon gewusst haben will und die Bevölkerung sich nun seiner persönlichen Freiheit beraubt sieht? Darin, dass die Gesetze so viel Handlungsspielraum der Behörden nicht vorsahen? Darin, dass ein Einzelner eine Organisation wie die NSA in ihren Grundfesten erschüttert? Meiner Meinung ist keine dieser Fragen die Richtige. Vielmehr ist die Kernfrage allen Datensammelns: Wie verhindere ich Missbrauch und gibt es etwas wie Transparenz?

Jeder, der sich heutzutage auf sozialen Netzwerken tummelt und parallel noch Zeitung liest und somit nationale wie internationale Themen verfolgt, weiß wie heiß die Themen Datenvorratshaltung, Datensammeln und dergleichen diskutiert werden. Es kann also eigentlich keine wirkliche Überraschung sein, dass Staaten die technischen Möglichkeiten der Moderne auch wirklich nutzen. Haben wir denn ernsthaft geglaubt, dass die Kommunikationswege frei von Spyware und Co sind? Wer sich mit IT beschäftigt, weiß, was machbar ist. Und wie schon mit der Atombombe, ist erst einmal eine Technik verfügbar, wird von ihr gewissenlos Gebrauch gemacht – mit oder ohne Wissen der Öffentlichkeit. Gewiss, ein drastischer Vergleich, aber zutreffend.

Es geht auch eigentlich nicht darum, wer was alles weiß, sondern vielmehr darum, was wer mit diesen Informationen anstellt. Und somit kann dieser Skandal keiner sein, weil mal wieder die falschen Fragen gestellt werden. In Kürze werden sicherlich entsprechende Gesetze verfasst oder erweitert, die den Behörden mehr Freiheit gewährleisten. Den Whistleblower wird man quasi wie den Staatsfeind Nummer Eins behandeln und hinter Gitter stecken. Und wenn ein bisschen Gras über die Sache gewachsen ist, geht alles seinen gewohnten Gang. Wir telefonieren, skypen, mailen, tummeln uns auf facebook und irgendjemand hört/schreibt mit.

Beim Schrei nach der persönlichen Freiheit muss man sich gleichermaßen Fragen wie viel man davon für seine Sicherheit preisgeben will. Denn damit argumentieren die Befürworter der Datenschnüffelei und schüren Ängste in der Bevölkerung. Natürlich will man Terroristen oder andere Kriminelle festsetzen und sich sicher wiegen, aber wie viele Daten benötigt man dafür? Im Zweifel alle. Ja bitte, wo bleibt da die Freiheit und die Transparenz? Die muss wohl jeder für sich festlegen. Auch wenn in Europa das letzte Wort in Sachen Datenvorratshaltung und Datensammeln noch nicht gesprochen ist, so bin ich mir doch sicher, dass all meine digitalen Fußspuren irgendwo erfasst und auch verwertet sind. Die wichtigere Frage für mich ist: Wie verhindert mein Staat den Missbrauch derer? Ich sehe mich nämlich nicht unter Generalverdacht, nur weil man meine Kommunikationswege nachvollzieht. Dafür möchte ich aber nicht, dass jemand anders sich meiner Telefonnummer, Kreditkartennummer oder gar gesamten Identität bemächtigt, denn auch das ist machbar. Ansonsten ist es mir egal, ob der BND weiß, dass ich mit meiner Mutter über bevorstehende Familienfeste und mit meiner Freundin über Rezeptideen spreche. (Ich verweise aber erneut darauf, dass nur Verbindungen und nicht deren Inhalt dokumentiert wurden.)

Wer auf Nummer sicher gehen will – und auch das sage ich hier nicht zum ersten Mal – der bleibt dem Internet fern bzw. hinterlässt dort keine persönlichen Informationen. Und telefoniert wird eben nur mit dem Busenfreund, der Mutti und dem Doktor. Für alles andere nutzt man am besten Brieftauben.

Aber mal ehrlich: dieser Skandal bringt uns nur weiter, wenn sich die Diskussion ändert, der Ansatz ein anderer wird. Totale Sicherheit wird uns eine Überwachung nicht bringen – das wusste Orwell schon; vernünftige Datenverwertung im Sinne der Bevölkerung kann ein großer Schritt sein, dann müssen aber alle mitspielen und die Grenzen von Datensammeln und persönlicher Freiheit erkennen.

Mit irgendwo gespeicherten Grüßen,

Ulrike Rieß.

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