Kommentar: Oracle kauft Pillar
Oracle kauft Pillar und keiner merkt’s. Der Deal wirft Fragen auf: Wofür das Ganze? Wie geht es weiter? Haben die Produkte wirklich eine Zukunft? Wie passt das bitte in Oracles Strategie? Und was zum Teufel ist ein Earn-out?
Man hat ja alles erwartet, aber gewiss nicht dies: Oracle kauft Pillar. Nun ja, mögen die einen sagen, all die Sahnetorten wie Compellent oder LSI waren ja vergeben und für größere Merger wollte Ellison wohl nicht den Igel in der Tasche erschlagen. Da blieb eben nur noch Pillar. Das mag stimmen. Wahr könnte aber auch sein, dass Ellison einfach die Faxen dicke hatte, Unsummen in ein Unternehmen zu investieren, das selbst nach Jahren nicht wirklich große Umsätze erwirtschaftet. (Wer es nicht weiß, Ellison hält die Mehrheit der Pillar-Anteile.) Und mit zehn Jahren Firmengeschichte auf dem Buckel kann man sich auch nicht wirklich mehr »start-up« nennen, selbst wenn es für die Geschäftsbilanz zutrifft. Das ist als ob Madonna immer noch »I‘m a virgin« im Brustton der Überzeugung hauchen würde und hoffte, damit Fans zu überzeugen und Geld aus der Tasche drehen zu können.
Nun noch zu den spärlichen Fakten. Genaue Erklärungen dazu, wie die Produktlinie denn ins Strategische passt, hatte Oracle nicht. Man konnte lediglich erfahren, dass Pillar-Technologie die Oracle-Software leistungsfähiger machen soll. Wie? Kein Kommentar. Des Weiteren meinte System-Vize John Fowler, dass man nun die Kernkompetenz um SAN-Speicher erweitern und die eigene Kundenbasis ausbauen würde. Eine schöne Milchmädchenrechnung, die leider nicht aufgeht. Denn Pillar selbst gibt sein FC-Geschäft mit zehn Prozent an, alles andere – satte 90 Prozent – geht an die Ethernet-Fraktion. Zudem liegt die Kundenzahl Pillars bei unter 1000, angeblich bei 600, weltweit in 24 Ländern. Von einem signifikanten Ausbau an Kompetenz und Kunden kann da wohl kaum die Rede sein. Das Einzige, was wirklich neu wäre für Oracle bzw. Sun, ist der Einsatz des Speichersystems unter AIX, HP-UX, Linux und Windows. Solaris spricht das Gerät auch, aber die anderen Betriebssysteme waren bei Oracle bislang eher verpönt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Pillar-Technologie eine sicherlich etablierte, aber in den letzten Jahren auch kaum optimierte ist, beispielsweise wäre die Clusterfähigkeit noch ausbaubar. Und mit Konkurrenten wie 3Par oder Compellent wird es schwer mitzuhalten. Da erhebt sich aber gleich wieder die Frage, ob Ellison hier erneut Gelder in die Entwicklung stecken will oder würde.
Jetzt kommt aber der eigentlich interessante Teil der Akquisition: Larry Ellison kriegt Pillar für lau. Es floss kein Geld. Ja richtig gehört. Gekostet hat’s nichts, weil man Ellison die zuvor hinein gepumpte halbe Milliarde US-Dollar anrechnete. Der Earn-out läuft zudem so ab: Im Zeitraum von 2011 bis 2014 (Juli) muss Pillar schwarze Zahlen schreiben oder doch zumindest mehr Umsatz als Verlust schreiben und dann, und nur dann, erhalten die Teilhaber ihr Geld; spätestens am 30. November 2014 und Ellison zuerst.
Damit Pillar wieder aufersteht, müsste viel passieren. Wahrscheinlich wäre eine Positionierung der Axiom-Plattform als blockbasierter Storage-Layer in einer Oracle-Integration. Hier müssten die Systeme dann beweisen, dass sie besser und leistungsstärker in der Oracle-Welt operieren als andere Hersteller. Auf jeden Fall hat Ellison jetzt die Führung übernommen. Mike Wortman, CEO bei Pillar, darf zwar weiter agieren, wurde aber bereits bei den Ankündigungen und Statements ins Abseits gedrängt. Da kommt zugleich die Frage auf, wie enthusiastisch und arbeitswillig das Pillar-Team ist, eine weitere drei Jahre währende Durststrecke oder besser Marathonstrecke mit hohen Vorgaben durchzuhalten. Und natürlich dräut im Hintergrund auch immer das Damoklesschwert des Abgeschoben- und Vergessen-werdens. Welcher Kunde, ob neu oder bestehend, wird sich wohl zusammen mit dem Unternehmen auf eine dreijährige Achterbahnfahrt und Zitterpartie begeben? Dort, wo Systeme gut laufen, besteht nun die Gefahr, dass sie durch Konkurrenzprodukte abgelöst werden, wenn keine Roadmap oder zukunftsweisende technologische Änderungen erfolgen. Neukunden hingegen werden durch Unsicherheiten wie diese gleich von vorn herein abgeschreckt.
Die Akquisition ist eine schwierige und zieht noch größere Kraftanstrengungen nach sich. Wir dürfen gespannt sein, ob Oracle in den nächsten drei Jahren wirklich das Ruder herumreißen und Pillar in sicheres Fahrwasser bringen kann. Und wenn nicht? Dann kann Ellison ja die nächsten drei Jahre ein wenig Geld beiseitelegen und auf die nächste Speicherinvestition sparen, diesmal hoffentlich eine mit Happy End.
Mit erstaunten, gespeicherten Grüßen,
Ulrike Rieß.