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Dinko Eror zum Koalitionsvertrag: Digitalisierung ist Chefsache

Im aktuellen Koalitionsvertrag ist von Innovation und Digitalisierung die Rede, so viel wie noch nie. Das ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Die Erfahrung zeigt allerdings, den Worten folgten bisher eher nur wenige Taten. Wir sprachen mit Dinko Eror, Senior Vice President and Managing Director von Dell EMC, über den aktuellen Koalitionsvertrag. Seine Forderung ist klar: »Die Regierung darf bei der Innovation keine Symbolpolitik betreiben. Bisher hinkt die Wirtschaftsnation Deutschland bei der Digitalisierung hinterher. Dies schadet der Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen.«

  Herr Eror, im neuen Koalitionsvertrag ist ausführlich von Innovation und Digitalisierung die Rede. Was halten Sie davon?

Dinko Eror, Dell EMC, zum aktuellen KoalitionsvertragDinko Eror, Dell EMCEror: Im aktuellen Koalitionsvertrag kommt der Begriff »Innovation« fast 100 Mal vor, genauso »Digitalisierung«. Das ist 50 Prozent öfter als in der Vereinbarung der Vorgängerregierung. Das ist gut so, aber die Regierung darf diese Themen diesmal nicht verschlafen. Ginge es rein nach diesen Zahlen, erlebten wir in den nächsten Jahren die Blütezeit der Innovation.

Tatsächlich durchdringt die Innovation so gut wie alle Bereiche des Koalitionsvertrags, von der IT und der Digitalisierung über Gesundheit und Mobilität bis hin zum Bauen und sozialen Fortschritt. Deutschland, so heißt es, muss ein Innovationsland bleiben.

  Wir hören hier eine leichte Skepsis heraus. Wie ist die Vereinbarung aus IT-Sicht zu bewerten?

Eror: Im IT-Umfeld ist Innovation breit angelegt: Die Vereinbarung umfasst viele Teilaspekte, neben der medial bereits stark beachteten Künstlichen Intelligenz (KI) auch so spezielle Themen wie Quantencomputing, Virtual und Augmented Reality – allesamt Begriffe, die im Vorgängerkoalitionsvertrag noch gar nicht vorkamen. Solche Themen lassen hoffen, dass die Koalition Innovation wirklich ernst nimmt.

Sie will zum Beispiel Deutschland »zu einem weltweit führenden Standort« bei KI machen. Dieses Ziel erscheint allerdings etwas überhastet, nachdem gegenwärtig rund 40 Prozent aller KI-Firmen in den USA beheimatet sind – und nur drei Prozent in Deutschland. Ein gigantischer Kraftakt wäre notwendig, und das erscheint nicht sehr realistisch.

Beim Thema Innovation muss mehr kommen, als nur Symbolpolitik

  Also wurden doch eher nur Worthülsen aneinandergereiht?

Dinko Eror, Dell EMCDinko Eror, Dell EMCEror: Eine langwierige Regierungsbildung und zahlreiche Groko-Gegner in den Reihen der Koalitionsparteien – allein diese Aspekte lassen daran zweifeln, dass der versprochene Technologie-Aufbruch schnell umgesetzt werden kann. Zudem: Eine nur knappe Mehrheit im Bundestag kann Politik nicht nach Belieben gestalten und Wünsche im Koalitionsvertrag nicht einfach umsetzen. Das war schon in der Vergangenheit nicht einfach.

Beispiel Digitalisierung: Hier hatte schon der Koalitionsvertrag 2013 viel versprochen – und die Regierung nicht viel gehalten. Schnelles Internet etwa sollte »bis 2018 flächendeckend in allen Teilen unseres Landes« verfügbar gemacht werden. Passiert ist wenig, und die führende Wirtschaftsnation Deutschland hinkt vielen Ländern bei der Digitalisierung müde hinterher. Diese Nonchalance schadet der Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen.

  Glauben Sie, dass es diesmal alles anders wird, immerhin wurde eine Staatsministerin eingesetzt?

Eror: Ja, Dorothee Bär wird die erste Staatsministerin für Digitalisierung im Kanzleramt. Angesichts der Tatsache, dass das Thema im Zuständigkeitsbereich vieler Ministerien und auch der Länder bleibt, stellt sich aber die Frage, ob die Schaffung einer solchen Position am Ende tatsächlich von Erfolg gekrönt sein kann. Zudem hat Bär im Kanzleramt im Grunde gar keine operativen Kompetenzen.

Wir können nur hoffen, dass es sich nicht nur um einen Vorzeige-Posten handelt, um Kritiker zu besänftigen. Im Interesse des Wirtschaftsstandorts Deutschland darf die neue Regierung mit dem Thema Innovation keine Symbolpolitik betreiben, dafür ist das Thema viel zu wichtig.

Brennpunkte: Hochgeschwindigkeitsnetze, Datenschutz & Bildung

  Was muss aus Ihrer Sicht nun passieren, was muss die Regierung als erstes angehen?

Eror: Zunächst bleibt die neue Koalition den Bürgern das alte Versprechen schuldig, die Hochgeschwindigkeitsnetze flächendeckend auszubauen. Das wäre für mich der erste wichtige Schritt. Parallel dazu brauchen wir eine echte Weichenstellung für die Förderung der Digitalisierung, und keine Lippenbekenntnisse. Ich hoffe sehr, dass Frau Dr. Angela Merkel Frau Bär unter die Arme greift und ihre Handlungsfähigkeit im Spannungsfeld zwischen Ministerien und Ländern sicherstellt. Das hatte sie zumindest am Abend ihrer vierten Vereidigung angekündigt – und dabei betont, dass Digitalisierung eine Aufgabe ist, die die gesamte Gesellschaft durchdringt. Das Thema scheint also bei Frau Merkel angekommen zu sein.

Ein anderes, dringendes Thema: Wir dürfen es nicht zulassen, uns als Gesellschaft – und damit meine ich nicht nur Deutschland, sondern auch die EU – zum Spielball von Digitalkonzernen machen zu lassen, die es auf die Privatsphäre unserer Bürger abgesehen haben. Ich hoffe, der jüngste Fall der Datenanalysefirma Cambridge Analytica, die 50 Millionen Facebook-Accounts ausgewertet haben soll, ist ein wake-up call für unsere Politiker. Datenschutz steht also ebenso ganz oben auf der Agenda: Wir wollen eine wirkungsvolle Gesetzgebung.

Zudem sollten wir die Regulierung rund um KI nicht aus den Augen verlieren: Das Thema ist zu wichtig und die Tragweite zu groß, als dass wir nur über einen »Masterplan« reden, aber ihn nicht umsetzen.

Etwas Mittelfristiger, aber genauso wichtig sehe ich das Thema Bildung: IT muss zum Bildungs-Allgemeingut werden, und deshalb schon den ganz Kleinen in den Schulen beigebracht werden – genauso wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Auch müssen wir das Bewusstsein für MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) weiter pushen und junge Leute motivieren, in ihrer Hochschulausbildung diesen Weg einzuschlagen. Wir sind zwar ein Volk von Dichtern und Denkern, genauso sind wir aber auch ein Volk von Forschern und Wissenschaftlern.

Das alles funktioniert aber nur im Rahmen konzertierter Aktionen: Eine bessere Koordination der Zuständigkeiten ist notwendig, wie bereits vorher angesprochen.

Was würde Deutschland und der IT-Branche helfen?

  Was würde uns – der IT-Branche und dem Land Deutschland – wirklich helfen?

Eror: Alle zusammen müssen wir die Digitalisierung als Chance betrachten: für den Wirtschaftsstandort, aber auch für die Gesellschaft. Am Ende heißt das, die Kompetenz der IT-Unternehmen zu berücksichtigen und in politische Entscheidungen einfließen zu lassen. Ein hervorragender Ansatz ist schon mal die Zusammenarbeit im Rahmen der Digital-Hub-Initiative.

Nachdem wir in einer Studie von Dell Technologies herausgefunden haben, dass 85 Prozent der Jobs in 2030 sind noch gar nicht erfunden sind, müssen wir Bildung und Ausbildung vielleicht nicht gerade reformieren, aber auf jeden Fall genau unter die Lupe nehmen – und agil bleiben.

Und natürlich gibt es zahlreiche konkrete Megaprojekte, die idealerweise in enger Zusammenarbeit zwischen Behörden, Gesetzgeber und IT-Industrie umgesetzt werden sollten: die Digitale Verwaltung zum Beispiel, aber auch E-Health oder Smart Citys.

  Welche Maßnahmen würden den Mittelstand helfen?

Eror: Es wird immer viel vom Mittelstand gesprochen, aber ganz ehrlich: der Mittelstand lässt sich nicht isolieren. Es geht tatsächlich darum, Deutschland insgesamt wettbewerbsfähig zu halten, egal, um welche Unternehmensgröße es sich handelt.

Ansonsten helfen dem Mittelstand die bereits vorher angesprochenen Maßnahmen wie Breitbandausbau, bessere Ausbildung, Datenschutz und so weiter.

  Bzw. ganz anders gefragt, für was benötigen wir die Regierung? Was kann der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht selbst erledigen, um voran zu kommen?

Eror: Wir brauchen eine Regierung, die Spielregeln setzt, die Interessen unterschiedlichster Stakeholder in Einklang bringt und international für faire Wirtschaftsbedingungen sorgt. Erst auf der Basis der Regierungsarbeit kann die Wirtschaft funktionieren.

Digitalisierung ist Chefsache – also Merkel-Sache

  Welche Maßnahmen wünschen Sie sich als Chef eines der weltweit größten Storage- und IT-Hersteller von der deutschen Regierung?

Dinko Eror zum Koalitionsvertrag: »Digitalisierung ist Chefsache«Dinko Eror: »Digitalisierung ist Chefsache«Eror: Ich wünsche mir vor allem, dass nun endlich Zug in die Sache kommt und die Schicksalsfrage Deutschland, wie es mein BITKOM-Kollege Achim Berg ausgedrückt hat, nicht weiter ein Schattendasein im politischen Nirwana zwischen den Zuständigkeitsbereichen einzelner Behörden fristet. Dazu gehört auch, dass Digitalisierung zur Chefsache gemacht wird – also Merkel-Sache.

  Womit könnte Dell EMC der deutschen Regierung helfen? Immerhin reden wir alle seit Jahren davon, dass die digitale Transformation auch etwas mit Schnelligkeit und Time-to-Market zu tun hat. Laut Frau Bär sind wir thematisch immer mindestens eine Legislaturperiode hinterher. Ketzerisch formuliert, befindet sich unsere Regierung noch im DOS-Zeitalter und trifft auf dieser Basis ihre Entscheidungen…

Eror: Frau Bär hat nicht ganz Unrecht. Es geht vorrangig um Bewusstseinsbildung. Deutschland steht in scharfer Konkurrenz zum Rest der Welt. Um eine effiziente Gesetzgebung ins Leben zu rufen, müssen sämtliche Entscheider in Regierung, Bundestag und den Ländern eine umfassende Digitalisierungskompetenz haben. Für die IT-Bewusstseinsbildung und den Know-how-Transfer stehen wir bereit. Auf dieser Basis lässt sich dann Wirtschaftspolitik sinnvoll gestalten. Sie ist die Voraussetzung für effiziente Digitalisierung, Schnelligkeit und Time-to-Market.


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