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Selbstlernende Sysadmin-Roboter – die Zukunft im Rechenzentrum?

Automatisierung, Containerisierung, Digitalisierung: Dies waren die drei Kernthemen der Handelsblatt Jahrestagung »Strategisches IT-Management 2019«. Als Zielgruppe der Veranstaltung diskutierten Vertreter des oberen Managements des deutschen Mittelstands, die Zukunft moderner Rechenzentren bis hin zu selbstlernenden Sysadmin-Robotern. Der Kollege Wolfgang Stief war für uns vor Ort und fasst in diesem Beitrag die 3-tägige Veranstaltung zusammen.

25. Handelsblatt Jahrestagung Strategisches IT-Management 2019 21. bis 23. Januar 2019 (Bild: Euroforum)25. Handelsblatt Jahrestagung Strategisches IT-Management 2019 21. bis 23. Januar 2019 (Bild: Euroforum)Jeder der drei Tage der Handelsblatt Jahrestagung Strategisches IT-Management 2019 (21.-23. Januar) hatte ein anderes Schlagwort als Thema, alle signalisieren sie deutlich die Zukunft in den IT-Abteilungen und Rechenzentren dieser Welt. Während es am Montag vorwiegend um und die Transformation ging, stand der Dienstag unter dem Motto »Automatisierung«. Zentrale Themen waren hier Robotik, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Der dritte Tag war überschrieben mit »Containerisierung«, was am Ende hinaus lief auf Berichte deutscher Konzerne und Mittelständler zu ihren jeweiligen Erfahrungen mit dem IT-Betrieb in der Cloud.

In der Branche passiert derzeit der Wandel vom »Connected Age« hin zum »Data Age«. Datenspeicherung wurde in den letzten Jahren vergleichsweise günstig. Jeder weiß, dass in den Datenhalden wertvolle Information steckt. Wir werden also in Zukunft mehr und mehr Dienste sehen, die auf Daten basieren. Die Branche braucht dazu gut ausgebildete Mitarbeiter, die jedoch sind weltweit gar nicht so leicht zu finden. Dr. Kerem Tomak, Bereichsleiter Big Data & Advanced Analytics bei der Commerzbank wies darauf hin, dass es nicht reiche, eine größere Zahl Data-Scientists einzustellen. Im Gegenteil, zur Entwicklung der Algorithmen reichen einige wenige solcher Data-Scientists im Unternehmen. Wovon man deutlich mehr brauche, wären Data-Engineers, die diese Algorithmen dann in Programmcode umsetzen. Während Data-Engineers eine Ausbildung und Erfahrung als Programmierer mitbringen müssen, kommen Data-Scientists aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Sie eint aber alle die Neugier und das Interesse, welche Werte in den Data-Lakes schlummern, die in den Unternehmen brachliegen.

Komplexe IT wieder vereinfachen

Dr. Michael Gorriz: »Entwickler stehen oft kaum mehr loyal zu ihrem Unternehmen.Dr. Michael Gorriz: »Entwickler stehen oft kaum mehr loyal zu ihrem Unternehmen.IT-Abteilungen sind über die Jahre gewachsen und dabei auch sehr komplex geworden. Im Rahmen einer Digitaltransformation oder Digitalstrategie versuchen sehr viele Unternehmen, diese Komplexität wieder zu vereinfachen. Man arbeitet hier überwiegend mit Automatisierung und mit der Verlagerung von einigen oder allen Diensten in die Cloud. Die Standard Chartered Bank erweitert dazu beispielsweise den Anteil der Programmierer im Unternehmen. Waren in der Vergangenheit rund 20 Prozent der zirka 80.000 weltweit Beschäftigen Programmierer, ist man heute bei knapp 50 Prozent und hat als Ziel in wenigen Jahren stolze 65 Prozent. Man erkennt daran auch den Stellenwert, der selbst in lange schon computerlastigen Geschäftsbereichen der IT beigemessen wird.

Dr. Michael Gorriz, Standard Chartered Bank (Bild: Euroforum)Dr. Michael Gorriz, Standard Chartered Bank (Bild: Euroforum)Der CIO der Standard Chartered Bank, Dr. Michael Gorriz, gibt aber auch zu bedenken, dass Entwickler heutzutage in der Regel kaum mehr loyal ihrem Unternehmen gegenüber sind. Die Motivation ziehen sich Programmierer überwiegend aus ihrer Tätigkeit und dem Interesse an einer komplexen Aufgabenstellung. Die Anerkennung der Arbeit brächte mehr Motivation, als eine bessere Bezahlung, fasst Gorriz seine langjährige Erfahrung zusammen.

Christa Koenen, DB Systel (Bild: Euroforum)Christa Koenen, DB Systel (Bild: Euroforum) Eine »einfache« Reorganisation des Unternehmens oder einzelner Geschäftsbereiche bringt nur selten die gewünschte Verbesserung. Oft genug werden dabei nur die Silos neu gewürfelt, aber nicht abgebaut, meint Christa Koenen, CEO bei DB Systel. Immer wieder kommt in Vorträgen und auch im Hallway Track die Diskussion auf das sogenannte »Zwei-Pizza-Team« als Erfolgsgarant: Die optimale Teamgröße zur Entwicklung und Betreuung eines einzelnen Service soll gerade so groß sein, dass das Team mit zwei Familien-Pizzas satt wird. Im Idealfall ist das Team quer über alle erforderlichen Fachbereiche besetzt und organisiert sich weitgehend selbst. Wer hier Parallelen zu agilen Methoden erkennt, liegt damit goldrichtig.

Digitale Transformation fordert Agilität

»Es ist ein Unterschied, ob sie digital arbeiten oder ob sie digital sind«, sagt Oliver Lindner, Corporate IT Strategy & Innovation bei Continental. Und ein plakatives Bild dazu liefert er gleich mit: »Wenn Sie einem Kutscher ein Smartphone in die Hand drücken, ist er deswegen noch lange nicht digitalisiert.« Man müsse sich zudem jedes Mal aufs Neue die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, genau diesen Prozess zu digitalisieren.

Für Unternehmen bedeutet das aber auch: Digitale Transformation kommt nicht nebenbei und vor allem nicht umsonst. Je nach Unternehmensgröße kann digitale Transformation auch heißen, dass die Unternehmensleitung sich entscheiden muss, ob sie eine Transformation des gesamten Unternehmens unterstützt und vorantreibt, oder nicht doch lieber ein komplett neues Produkt einführt. Bei VW zum Beispiel sind die Kosten für beides annähernd identisch.

Deutlich wurde in den drei Tagen vor allem: Agil als Konzept haben die Unternehmen verstanden und erkennen die Vorteile. Selbst im deutschen Maschinenbau-Mittelstand, dem man oft genug eine gewisse Behäbigkeit bei Management-Innovationen nachsagt, steht außer Zweifel, dass sich agile Vorgehensweise lohnt. Und zwar nicht nur dort, wo Software entsteht. Während sehr viele IT-Abteilungen bereits »durchdigitailisiert« sind, ist die Transformation anderer Unternehmensbereiche oder gar des gesamten Unternehmens ein langer, steiniger Weg. Einige haben sich dennoch auf den Weg gemacht, am Ziel ist noch niemand.

Firmen benötigen Cloud-Architekten

Damit eine agile Vorgehensweise in der Entwicklung von IT-Services auch produktiv entsprechend dynamisch umgesetzt werden kann, setzen mittlerweile so gut wie alle größeren Mittelständler und Konzerne auf Cloud-Dienste. Selbst die Berührungsängste mit der Public-Cloud scheinen verflogen, DB Systel verkaufte gar ihr komplettes Rechenzentrum und wird das im Laufe 2019 wie geplant und vereinbart besenrein an den Käufer übergeben.

So gut wie alle Dienste im Portfolio der DB Systel kommen zukünftig aus der Amazon-Cloud, betrieben von DB Systel. Sunil Potti, Chief Product & Development Officer bei Nutanix bringt das auf den Punkt: »If the users are outside and the apps are outside, why is infrastructure still inside?« Ein solcher Schritt hat dann auch Folgen für Personalabteilung sowie die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter: Es braucht jetzt keine dedizierten Storage-, Datenbank- oder Netzwerkadministratoren mehr. Es gibt dann nur noch den Cloud-Architekten. Diesen aber sicherlich in unterschiedlichen fachlichen Ausprägungen.

Zukunftsmusik: Machine-Learning und Data-Lakes

Der noch vergleichsweise junge Anwendungszweig Machine-Learning (ML) wird zunehmend wichtiger. Dass sich damit aus den Data-Lakes voll mit unstrukturierten Daten wichtige Informationen gewinnen lassen, ist vergleichsweise offensichtlich. Je enger dabei das Betätigungsfeld abgesteckt werden kann, desto besser sind derzeit noch die erzielten Ergebnisse und Erkenntnisse. Ein Beispiel dazu hatte Dr. Tomak von der Commerzbank: Durch die Analyse von speziell auf die Geschäftsführung zugeschnittenen Phishing-Mails konnten Mailfilter so angepasst werden, dass damit ein errechneter Schaden für die Commerzbank von zirka 60 Millionen Euro abgewendet werden konnte. Die Entwicklung schreitet schnell voran, das Feld muss weniger eng abgesteckt werden, um gute Ergebnisse zu liefern.

China und Japan enteilen uns

Martin Kölling, Handelsblatt (Bild: Euroforum)Martin Kölling, Handelsblatt (Bild: Euroforum)Interessante Einblicke in den Forschungsstand zu Robotik und Machine-Learning in China und Japan brachten Stephan Scheuer (bis vor kurzem China-Korrespondent Handelsblatts) und Martin Kölling (Ostasienkorrespondent Handelsblatt, Japan und Korea). Demnach hat China insbesondere im Bereich ML und Artificial-Intelligence (AI) aufgeholt und teilweise den Westen sogar überholt. Sehr aktiv in der außeruniversitären Forschung ist dort der Versandhauskonzern AliBaba. Problematisch sieht Scheuer insbesondere ein gänzlich fehlendes staatliches Korrektiv: mit Datenschutz ist es in China nicht so besonders weit her, wie wir alle wissen.

Live-Umfrage: Auditorium sieht China bis 2030 im Bereich der künstlichen Intelligenz weltweit als führend.Live-Umfrage: Auditorium sieht China bis 2030 im Bereich der künstlichen Intelligenz weltweit als führend.In Japan sei ML/AI mehr ein »Werkzeug« bei der Weiterentwicklung von Robotik, aber weniger ein eigenständiger Forschungsbereich, berichtete Kölling. Die Weltkonzerne in Japan beschäftigen sich insbesondere mit Robotik in der Fertigungstechnik, industrieller Mittelstand ist in Japan so gut wie nicht existent. Die sehr traditionelle, häufig eher bremsende Gesellschaftsstruktur Japans wird dabei mehr und mehr von jungen, schnellen Firmen aufgeweicht. Eine unmittelbar nach den Beiträgen der Handelsblatt-Redakteure durchgeführte Online-Umfrage im Auditorium kommt zu dem Ergebnis, dass China in 2030 den Bereich der künstlichen Intelligenz weltweit dominieren wird.

KI/ML-Forschung: Vieles noch ungelöst

Prof. Dr. Alin Albu-Schäffer, TU München und Instituts für Robotik und Mechatronik (Bild: Euroforum)Prof. Dr. Alin Albu-Schäffer, TU München und Instituts für Robotik und Mechatronik (Bild: Euroforum)An Robotik wird aber nicht nur in Asien geforscht, auch Deutschland spielt hier ganz vorne mit. Das demonstrierte eindrucksvoll Prof. Dr. Alin Albu-Schäffer, an der TU München Inhaber des Lehrstuhls Sensorbasierte Robotersysteme und Intelligente Assistenzsysteme und zugleich Direktor des Instituts für Robotik und Mechatronik beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Er zeigte einen Querschnitt aktueller Forschungsarbeiten. Der Schwerpunkt liegt im Bereich sensibler Greifer und Kraftsensorik. Neben Fertigungstechnik sind diese Mechanismen vor allem auch bei der Telemedizin wichtig.

Alle Geräte und Maschinen, deren Funktion ganz oder teilweise auf ML oder KI beruht, haben gemeinsam, dass sich im Laufe des Produktzyklus zwei identisch gefertigte Geräte nie identisch verhalten werden. Jedes Gerät lernt über die Zeit andere Details, die sich über eine Rückkopplung per ML auf das zukünftige Verhalten auswirkt. Das stellt vor allem Zulassungsbehörden und Zulassungsprozesse vor eine derzeit noch ungelöste Herausforderung: Man kann das Verhalten nicht eindeutig definieren und deshalb auch keinen definierten Zustand zulassen. Es gibt also durchaus Forschungsbereiche im Zusammenhang mit KI/ML, die nur sehr wenig mit Mustererkennung, Algorithmik und Programmierung zu tun haben.

Schweizer Post digitalisiert mit Drohnen und Datenbrillen

Eine Verbesserung durch Digitalisierung kann manchmal auch sehr konkret sein, wie die Schweizer Post demonstriert: Zum einen nutzt die Post Drohnen, um medizinische Proben aus einer Klinik über das Zürcher Seebecken in ein Labor zu fliegen. Die Transportzeit einer solchen Probe konnte damit auf 20 Prozent gesenkt werden gegenüber dem Kurier, was insbesondere bei einer notwendigen Laboruntersuchung während einer laufenden Operation hilfreich ist. Zum zweiten staffierte die Schweizer Post die Mitarbeiter verschiedener Sortieranlagen mit Datenbrillen aus. Damit wird das Sehfeld erweitert, die Brille blendet das passende Fach ein, sobald der Mitarbeiter einen Brief in die Hand nimmt. Die Post lässt sich so bis zu dreimal schneller sortieren.

Selbstlernenden Sysadmin-Roboter noch Zukunftsmusik

25. Handelsblatt Jahrestagung Strategisches IT-Management 2019 (Bild: Euroforum)25. Handelsblatt Jahrestagung Strategisches IT-Management 2019 (Bild: Euroforum)Um auf die Frage der Überschrift zurück zu kommen: nein, auf absehbare Zeit wird es keine selbstlernenden Sysadmin-Roboter geben. Jedoch wird maschinelles Lernen auch die Systemadministration unterstützen. In großen IT-Umgebungen fallen sehr viele Log-Informationen an. Zu viele, um die noch alle vom Admin-Team sichten zu lassen. Also erfolgt die Auswertung maschinell. Soweit ist das nicht neu, automatisierte Monitoring-Systeme sind seit vielen Jahren etablierte Technik. Neu ist, dass zukünftig auch ML-Systeme diese Logdaten lesen und auswerten wird. Damit lassen sich beispielsweise proaktiv Anomalien im Netzwerk feststellen, und die IT-Abteilung kann reagieren, bevor sich Fehler bis zur Applikation ausbreiten und vereinbarte Service Levels nicht gehalten werden können. Es gibt zudem bereits erste Ansätze, dass ML-Systeme selbständig einzelne Parameter in einzelnen Anwendungen ändern dürfen, um so weitgehend automatisch auf entdeckte Anomalien zu reagieren.

Von Blockchain war übrigens an allen drei Tagen so gut wie nichts zu hören.



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