Stress: Gehörst Du zu den 87 Prozent?
Die Digitalisierung hat maßgeblich mit Stress zu tun (Bild: Canva).»Ich habe so viel Zeit, dass ich fast nicht weiß, ich könnte glatt noch ein neues Hobby starten«, ist eher nicht die Antwort, die ich bekomme, wenn ich Menschen Frage, wie es ihnen geht.
Die Regel ist eher, dass wir alle kaum Zeit haben, uns gestresst fühlen, eher eine Beschwerde über den Job (oder das Leben) auf den Lippen haben und oft unzufrieden sind.
Die Hauptauslöser für Stress
Die Studie der pronova BKK verrät nicht nur den Prozentsatz der gestressten Menschen, sondern auch die Gründe. Und die hören sich für uns alle recht vertraut an.
1. Zeitmangel
Wir haben so viel auf der Matte (oder laden uns soviel auf), dass wir kaum noch zum Atmen, Entspannen oder Nichtstun (der ein oder andere mag sich jetzt fragen, was das überhaupt ist) kommen. Jede Wachminute ist mit irgendeiner Aktivität gefüllt und trotzdem schaffen wir nicht, alles zu erledigen, was zu tun ist oder was wir tun wollen. Da fällt dann schon mal der Besuch im Fitness-Studio oder der Spaziergang draußen weg. Oder auch die Zeit mit den Kindern zu verbringen, weil einfach zu viel zu tun ist. Das stresst. Manchmal soviel, dass sogar der Schlaft leidet – von Beziehungen ganz zu schweigen.
2. Termindruck
Sehr verwandt mit Punkt 1. Ständig gilt es irgendwelchen Deadlines hinterher zu hecheln, mehrere Projekte gleichzeitig voranzubringen oder zu beenden. Zeit für vernünftige Planung, gegebenenfalls mal einen Check, ob das Projekt so noch Sinn macht oder innehalten, um Kurskorrekturen vorzunehmen, gibt’s oft nicht. Der Stress ist vorprogammiert.
3. Digitalisierung
Wenn du schon eine Weile im Business bist (bei mir sind’s 30 Jahre), dann hast Du erfahren, wie sehr die Digitalisierung und Technik unser Leben heute beherrschen. Ich mag vieles davon, manches stresst mich allerdings auch, wenn ich nicht aufpasse. Klassischerweise befürchten Menschen oft, dass sie nicht mithalten können mit all den technischen Neuerungen und »die Jungen« ihnen den Rang ablaufen, was schon mal schnell zur Angst führen kann, nicht mehr relevant im Job zu sein oder sogar den Job zu verlieren. Und dann kommt natürlich noch die FOMO dazu (Fear of Missing Out), wenn wir uns viel auf sozialen Medien tummeln. Alle anderen scheinen ein tolles Leben zu haben – nur ich schlage mich mit Problemen rum. Dieser Eindruck kann schnell entstehen. Und auch wenn unser Gehirn weiß, dass das ja gar nicht stimmt, kann es stressen und Gefühle des nicht-genug-sein auslösen.
4. Emotionaler Druck – Angst
Für mich persönlich der größte Stressor überhaupt. Weil emotionaler Stress durch all die genannten Faktoren entsteht. Wenn wir viel zu tun haben und genau wissen, wie wir das regeln können, ist der Stressfaktor eher gering. Wenn wir allerdings die Schwelle des wirklich Machbaren überschreiten und wir genau wissen, wir bekommen nicht alles unter, dann steigt der Stresspegel und es kommen ganz andere Gedanken auf: »ich schaffe das nicht, weil ich nicht schnell genug bin«, »Wenn ich nicht in dem Tempo mitrenne, gefährdet es meinen Job« oder »Meine Beziehung ist jetzt schon angespannt, was ist, wenn mich mein Partner verlässt?«.
Und das löst eine Emotion aus, die wir alle kennen: Angst. Der größte Stressfaktor schlechthin.
Ein anderer großer Stressor ist ein blöder Boss oder ein schlechtes Arbeitsklima. Es gibt auch hier Statistiken darüber, dass Menschen nicht vorwiegend Firmen, sondern eher dem Boss kündigen, wenn die emotionale Belastung einfach zu viel wird.
Guter und schlechter Stress?
Lass uns mal genau hinschauen, was da im Körper passiert, wenn wir gestresst sind, was auch immer der Auslöser ist: Unser Gehirn gibt ein Signal, Cortisol auszuschütten – das Stresshormon. Unsere Amigdala – quasi der älteste Teil in unserem Gehirn – schaltet sich sofort ein und triggert die FFF-Response (Fight, Flight, Freeze). Dieser hübsche Chemie-Cocktail in unserem Körper führt dazu, dass unser Gehirn mit weniger Blut versorgt wird (weil das ja für die Gliedmaßen benötigt wird, falls wir wegrennen müssen) und der Teil, der für Lösungen und kreatives Denken zuständig ist (präfrontaler Kortex – direkt hinter der Stirn) funktioniert nur noch auf Sparflamme.
Und wen wundert‘s, dass wir dann keine guten Entscheidungen mehr treffen können…
Egal, woher der Stress kommt – die chemischen Prozesse bleiben immer gleich, sobald wir subjektiv das Gefühl von Stress haben. Wenn wir also von »gutem Stress« reden, ist das ziemlicher Käse. Stress ist Stress.
Wenn Du einfach viel um die Ohren hast und es trotzdem motiviert und ambitioniert angehst, sind die typischen Anzeichen von Stress – Müdigkeit, innere Anspannung (wenn wir leicht aus der Haut fahren, ist das ein gutes Indiz dafür), Lustlosigkeit, Over-thinking – oder auch Grübeln über Arbeit oder Privatleben – eher nicht da.
Gegenmaßnahmen – raus aus dem Stress
Tipps um Stress abzubauen gibt es viele: Auszeit nehmen, mehr schlafen, Stressfaktoren abstellen, Handy ab und zu mal ausschalten (Mann, was wir da alles verpassen), Spaziergang im Wald machen.
Ich habe mir mal ein paar mehr Gedanken dazu gemacht und bin zum Ergebnis gekommen, dass wir bei Stressmanagement – wie auch bei so vielen anderen Trainings – viel zu sehr an der Oberfläche bleiben. Tools oder Maßnahmen in Angriff nehmen, die nur bedingt nachhaltig sind. Und nicht wirklich was an der Stelle ändern, wo der Stress entsteht: in uns drin.
Die erste große Erkenntnis, die ich nach vielen Jahren gestresst sein hatte: den meisten Stress mache ich mir selber.
Und ich garantiere Dir, dass das für Dich dasselbe ist. Wenn wir mal einen Schritt zurücktreten und hinschauen, was uns stresst und warum, merken wir, dass es unsere Reaktion auf Ereignisse oder Situationen ist, die den Stress verursacht. Die Situation selber ist »nur« der Auslöser.
Wir haben die Tendenz in unserem Leben, Muster zu entwickeln (unser Gehirn liebt sie, dann kann nämlich einfach ein Programm ablaufen und die anderen Gehirnteile werden nicht beansprucht).
Beobachte Dich mal selber: Du wirst feststellen, dass immer wieder die gleichen Dinge (Verhalten, Aussagen, Situationen, Personen) die gleiche Reaktion auslösen – eben auch Stress.
Die gute Nachricht: wir können das verändern! Wir sind nämlich diejenigen, die unsere eigene Reaktion bestimmen. Blöderweise kommt sie halt oft so schnell durch unsere Muster, dass es sich fast wie Instinkt anfühlt.
Instinkt wäre zu rennen, wenn ein Säbelzahltiger vor uns auftaucht. Die gibt’s heutzutage doch recht selten (o.k., o.k. gar nicht natürlich), und die lebensbedrohenden Situationen in unserem Alltag tauchen doch (dankenswerterweise) extrem selten auf. Unser Gehirn reagiert trotzdem noch so.
Erster Schritt - Awareness
Ich weiß, ich weiß, mal wieder ein englisches Wort. Gefällt mir einfach besser als das deutsche »Bewusstsein schärfen«. Beobachte dich ganz genau. Deine Reaktionen auf Situationen oder Personen. Was genau hat den Stress ausgelöst und was für ein Gefühl ist darunter? Angst (vor was auch immer), Neid, Frustration…was auch immer es ist.
»Der ist halt blöd – ich kann gar nicht anders reagieren«, magst Du vielleicht jetzt sagen. Stimmt nicht. Blöd ist der Mensch vielleicht – über Deine Reaktion darauf hast Du nicht nur Einfluss, sondern die komplette Macht.
Ja, das ist eine Sache der Übung. Und es braucht den Willen, genau hinzuschauen und Verantwortung zu übernehmen. Beides Schlüsselelemente von Personal Leadership.
Oft ist es unmöglich, die äußeren Umstände komplett zu verändern – das kenne ich nur zu gut. Was wir verändern können, ist unsere Reaktion darauf. Was übrigens nichts damit zu tun hat, sich eine »Scheiß-egal-Einstellung«, die meist mit Resignation einhergeht, zu eigen zu machen.
Sondern viel eher damit, dass du dir deiner Macht bewußt wirst, und deine echte Resilienz – sprich die Fähigkeit, authentisch und gut mit schwierigen Situationen oder Menschen umzugehen – stärkst.
Dazu mehr, im nächsten Beitrag, kommende Woche!
Hier gibt’s mehr Information zu Personal Leadership 5.0 oder lass uns in einem 15 Minuten CEO-Call kurz darüber reden, wie ich Dir helfen kann, von Stress zu innerer Ruhe zu kommen.