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Die Cloud braucht noch Zeit

Wer sich nicht stante pede »in die Cloud« begibt, dem enteilt der Mitbewerb. Diesen Eindruck vermitteln Analysten und Anbieter. Laut einer Experton-Studie steht das Thema Cloud in IT-Abteilungen aber nicht an erster Stelle. Vor allem US-Anbieter liefern zu wenige Antworten auf einschlägige Fragen.

Von Evi Hierlmeier

Der überwiegende Anteil beschäftigt sich noch nicht mit der Cloud. (Grafik: Experton)
Der überwiegende Anteil beschäftigt sich noch nicht mit der Cloud. (Grafik: Experton)
Pure Panik möchte man als Firmenchef oder CIO (»Chief Information Officer«) kriegen: Eher heute als morgen sollten so viele IT-Dienstleistungen wie möglich »in die Cloud« verlagert werden, empfehlen Analysten, Journalisten und Consultants. Nur dann könne man mit dem agilen Mitbewerb mithalten – Kosten optimieren, die nötige Wachstumsflexibilität und den »Speed to Market« leisten. Die jüngste Studie des Marktforschungsunternehmens Experton rückt diese Aussagen zurecht: Sie gesteht den Cloud-Services zwar ebenfalls sehr positive Entwicklungschancen zu, doch liefert sie ein realistisches Bild der Ist-Situation. Dazu holten die Marktforscher die Meinung von 280 deutschsprachigen Unternehmen ein. Sie fragten nach, ob sich die Firmen bereits mit der Cloud auseinandergesetzt haben, ob es dafür Strategien gibt oder ob bereits solche externen Dienste bezogen werden.

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Es gibt Wichtigeres als die Cloud

Ganz so weit ist es diesen Zahlen nach in Deutschland mit der Akzeptanz der Cloud noch nicht her: 67 Prozent der befragten Firmen haben noch nie einen Gedanken an das Thema verschwendet, bei den deutschen Unternehmen waren es gar 71 Prozent. Von den Firmen, die sich mit der Cloud bereits auseinandergesetzt haben, planen drei Prozent demnächst den Einsatz dieser Dienste, 16 Prozent sind noch unentschlossen und sieben Prozent haben sich dagegen entschieden. Verbleiben noch ganze sieben Prozent, die bereits Dienstleistungen aus der Wolke beziehen. Dabei wird Cloud-Computing derzeit am häufigsten in Österreich eingesetzt, gefolgt von Deutschland und der Schweiz.

Die Optimierung von Prozessen steht ganz oben auf der Agenda. (Grafik: Experton)
Die Optimierung von Prozessen steht ganz oben auf der Agenda. (Grafik: Experton)
Dieses Bild runden die Antworten auf die Frage nach vorhandenen oder verfolgten Cloud-Strategien logisch ab: Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen verfügen über keine strategischen und definierten Vorgehensweisen für eine Auslagerung von Services. Stattdessen räumen die Chefs der IT-Abteilungen der Experton-Studie zufolge einer ganzen Reihe anderer Problemlösungen Vorrang ein: dazu zählen etwa die Optimierung der IT-Prozesse (77 %) , die bessere Unterstützung von Geschäftsabläufen (75%) oder die Modernisierung von IT-Infrastruktur und Anwendungen (65%). Erst an zwölfter Stelle rangiert die »Nutzung von Cloud-Ressourcen«, wenngleich dies natürlich im weitesten Sinne auch zu den IT-Optimierungsmaßnahmen gezählt werden kann.

Was erwarten Unternehmen von der Cloud?

Unternehmen arbeiten derzeit intensiv daran, Management, Betrieb und Nutzen ihrer IT-Ressourcen zu verbessern. Bei der Befragung kristallisierte sich vor allem die Erwartung heraus, Effizienz- und Qualität zu steigern, mehr Transparenz bei den Tätigkeiten der Dienstleister zu erhalten sowie Flexibilität und Agilität im Unternehmen zu verbessern. Cloud-Anbieter versprechen mit ihren Angeboten hierbei vielfältige und umfassende Unterstützung, die sich auf fast alle Anwendungsgebiete der IT erstreckt.

Man hofft auf Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung. (Grafik: Experton)
Man hofft auf Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung.
(Grafik: Experton)
Genutzt werden von der Fülle des Cloud-Angebots laut Studie am häufigsten Web-Anwendungen, Storage und Backup sowie die Virtualisierung von Rechenzentrums-Infrastrukturen. Dies ist kein Wunder. Schließlich beziehen Unternehmen diese Kategorie von Services bereits seit langer Zeit zuverlässig von ihren Dienstleistern – ganz ohne Cloud. »Wir müssen ehrlich bleiben: Wann ist ein Dienst überhaupt wirklich 'Cloud' und wann ist er lediglich 'cloud washed'?", fragt Jürgen Müller, Leiter des Cloud-Computing-Programms bei Siemens IT Solutions and Services. Er betrachtet die Cloud als logische Weiterentwicklung von technischen IT-Standards wie Virtualisierung, Grid-Computing und nicht zuletzt der gewaltig gestiegenen Leistungsfähigkeit der Datennetze, wodurch Services via Cloud überhaupt erst möglich werden. Der Begriff »IT as a Service« werde durch geschickte Marketing-Platzierung der Cloud einfach überholt.

Gleichgültig, unter welchem Label die Dienstleistungen angeboten werden, sie sind inzwischen fester Bestandteil der IT-Strategien. Damit hat die Cloud auf dem Wege über gemietete Web-, Storage- oder Mailserver längst Einzug in viele Unternehmen gehalten, die von verminderten Wartungskosten und flexibleren Systemen profitieren. »Dominierte in der Vergangenheit zunächst ein starker Hype um das Thema, wird Cloud-Computing nunmehr jeden Tag ein Stück mehr Realität in der IT kleiner, mittlerer und großer Unternehmen«, erläutert Matthias Zacher, Senior Advisor bei Experton.

Cloud-Anbieter bleiben viele Antworten schuldig

Kritische Aspekte von Cloud-Computing (Grafik: Experton)
Kritische Aspekte von Cloud-Computing (Grafik: Experton)
»Die Cloud ist bei weitem noch nicht fertig«, betont Siemens-Manager Müller. Das betrifft seines Erachtens sowohl die technische Entwicklung und Umsetzung als auch das gesamte rechtliche und vertragliche Umfeld. Die Teilnehmer der Umfrage weisen einstimmig die Datensicherheit sowie rechtliche Vorgaben und Vertragsgestaltung als kritische Punkte aus. Besonders mittelständische Unternehmen legen Wert auf Rechenzentren innerhalb Deutschlands, einen deutschen Firmensitz und unabhängige Qualitätsnachweise, so Felix Höger, Vorstand bei Pironet NDH und Geschäftsführer der Pironet NDH Datacenter. »Darum setzen wir ausschließlich auf zertifizierte Hochsicherheitsrechenzentren in Deutschland und organisieren unser IT-Sicherheitsmanagement nach der internationalen ISO-Norm 27001.«

»Zu diesen Punkten müssen die Anbieter Antworten geben können«, fordert auch Müller. Und das können derzeit gerade kleinere, aber lokale Unternehmen besser als die großen US-Konzerne: Durch den Vertrauensvorschluss der Vorortpräsenz, die bessere Erreichbarkeit und kurze Wege sowie auch eine transparente und geregelte Gesetzeslage im Lande.

Es prüfe, wer sich in die Cloud begibt

Es wird also nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Der Großteil der deutschen, österreichischen und Schweizer Unternehmen hat noch lange nichts entschieden und beobachtet erst. Und das ist auch gut so, denn nicht zu jeder Firma passt jeder Cloud-Service. Es will gut überlegt sein, ob man langjährige und zuverlässige Dienstleister ersetzt oder zumindest mit anderen Aufgaben betraut. Dass dazu die Zeit ist, das belegt die Studie von Experton.

Cloud-Typologie
Bei der »Private Cloud« sind Access und Deployment für jeden Kunden individuell ausgelegt. Bei »Public Cloud«-Angeboten greifen Unternehmen über das Internet ohne Zugangsbeschränkung auf entsprechende Cloud-Infrastrukturen und -Services zu. Unter den hybriden Cloud-Modellen werden die Integrationsmöglichkeiten von Cloud-Services in die unternehmensinterne IT sowie die Verbindung von Public-Cloud mit Private-Cloud-Angeboten zusammengefasst.
Merkmale einer Cloud-Dienstleistung
Um sicherzustellen, dass alle das gleiche meinen, wenn sie von Cloud reden, liefern die Experton-Analysten eine Definition mit: Beim Cloud-Computing werden Ressourcen wie Rechenleistung, Speicherkapazität, Anwendungen oder  Datenservices in einem Modell bereitgestellt, das auf folgenden fünf Hauptmerkmalen basiert:
  1. Bereitstellung nach einem Self-Service-Modell
  2. Orts- und geräteunabhängiger Zugriff über IP-Netze
  3. Dynamisches Kapazitätsmanagement für hohe Skalierung
  4. Abstrahierte virtualisierte Infrastruktur für eine standardisierte Auslieferung
  5. Nutzungsabhängige Bezahlung
Grundlage dieses Computing-Ansatzes sind Virtualisierungs-, Grid-und Clustering-Technologien aus dem Datacenter- und System-Management. Je nachdem ob Software, gesamte Plattformen oder »nur« Infrastruktur als Cloud-Service angeboten werden, differenziert Experton nach:
  • Saas – »Software as a Service«: Horizontale und vertikale Anwendungen
  • PaaS – »Platform as a Service«: Anwendungsentwicklung, Middleware
  • IaaS – »Infrastructure as a Service«: Server, Storage, Datenbank
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