Für Firmen problematisch: leerer Papierkorb in Google Drive
Mitte September hat Google relativ kurzfristig und ohne großes Aufsehen eine recht wichtige Änderung für Nutzer von Google Drive angekündigt. Dateien im »Papierkorb« werden künftig nach 30 Tagen endgültig gelöscht. Die Änderung wurde zum 13. Oktober 2020 wirksam. An dem Tag begann auch die erste 30-Tage-Aufbewahrungsphase. Google begründet den Schritt damit, dass es die Regeln für Google Drive an die bei anderen Produkten wie Gmail geltenden angeglichen hat.
Für private Nutzer ist die Änderung wahrscheinlich in den meisten Fällen unerheblich. In Unternehmen kann sie jedoch schnell problematisch werden, wenn sie Google Drive auch für die geschäftliche Kommunikation einsetzen. Das ist oft der Fall, etwa um sich mit Externen abzustimmen oder Dateien auszutauschen. Denn dann gelten vielfach diverse Aufbewahrungspflichten - und die sind alle länger als 30 Tage.
Immerhin können Administratoren aus dem Papierkorb gelöschte Dateien einem FAQ-Beitrag zufolge noch 25 Tage nach der Löschung wiederherstellen. Danach sind sie jedoch unwiederbringlich verloren. Einzige Möglichkeit, sie länger aufzubewahren, ist die Nutzung von Google Vault. Da lassen sich, sofern zuvor die passenden Aufbewahrungsregeln festgelegt waren, Dateien wiederfinden. Bei der Wiederherstellung gelangen sie aber nicht direkt in den Google Drive, aus dem sie stammen. Eine firmentaugliche Lösung für Datenmanagement, Backup und Archivierung sieht anders aus.
Für Firmen problematisch: leerer Papierkorb in Google Drive (Bild: Canva)
Darum ist ein Backup von Google Drive wichtig
Verkürzte Aufbewahrungszeiten für Daten im Papierkorb von Google Drive sollten Nutzer der G Suite zum Anlass nehmen, ihre Backup-Strategie zu überdenken (Bild: Google).Schließlich überlässt Google auch bei Google Vault den Nutzern, welche Aufbewahrungsregeln sie vergeben oder ob sie überhaupt welche vergeben. Das ist immer riskant, hat sich doch in der Vergangenheit oft genug gezeigt, dass sich Anwender der Bedeutung von Dokumenten vielfach gar nicht bewusst sind. »Dateien in geteilten Ablagen, die keinem Hold oder keiner Aufbewahrungsregel unterliegen, werden ungefähr 30 Tage, nachdem sie in den Papierkorb verschoben wurden, endgültig aus allen Google-Systemen gelöscht«, teilt Google dazu mit. Also müssten sich hier Firmen auf den Sachverstand ihrer Mitarbeiter verlassen und hätten zum Beispiel keine Handhabe, wenn diese versehentlich, aus Gedankenlosigkeit oder sogar böswillig, falsche Regeln festlegen.
Sebastian Ilka, Datto:»Es ist ratsam, immer eine zweite, unabhängige Kopie der Daten zu haben«Fairerweise muss gesagt werden, dass das auch bei Microsoft Onedrive und Office insgesamt nicht viel anders ist. Immerhin gibt es da unterschiedliche Tarife, die dann mit zunehmendem Preis auch zusätzliche Funktionen für Datensicherung und Backup bieten. »Einer der wichtigsten Aspekte des Themas, der oft übersehen wird, ist die Best-Practice, immer eine zweite unabhängige Kopie der Daten zu haben«, erklärt Sebastian Ilka, Senior Director Sales Enablement bei Datto. »Google und Microsoft bieten zwar native Wiederherstellungsoptionen, aber keinen vollständigen Schutz oder die Gewissheit, auf die Daten außerhalb der Umgebungen zugreifen zu können, falls es nötig ist.« Zudem seien sowohl Google als auch Microsoft in den vergangenen Monaten für Ausfälle anfällig gewesen. »Mit separaten Kopien dieser SaaS-Daten können die Endbenutzer direkt auf ihre kritischen Geschäftsdaten zugreifen. Das verhindert kostspielige Ausfallzeiten und Datenverluste«, versichert Ilka.
Für Microsoft gibt es Lösungen zahlreicher Drittanbieter für das Problem. Dazu gehören unter anderem Altaro, Arcserve und Veeam. Alle drei haben aber zumindest aktuell keine vergleichbaren Angebote für Google Drive. Arcserve teilt auf Anfrage immerhin mit, dass es Google weniger im Business-Umfeld, sondern eher im Privatbereich sieht. Unternehmen setzten überwiegend auf Microsoft 365, das von Arcserve samt Onedrive auch unterstützt wird und wofür es eine gesetzeskonforme Aufbewahrung gewährleisten könne.
Backup-Möglichkeiten für G Suite
Etwas anders sieht das Acronis: Der Hersteller bietet mit Acronis Cyber Backup für G Suite zum Preis von 89 Euro pro Jahr einen Dienst an, um Dateien aus der G Suite so zu sichern, dass sie Compliance-Anforderungen entsprechen. Vermarktet wird er allerdings derzeit vor allem als Schutz vor Ransomware-Attacken.
Ebenfalls ein Abomodell, aber zu geringeren Kosten, bietet CubeBackup an. Daten lassen sich hier lokal, auf ein NAS oder in Amazon S3 sichern. Der Preis liegt bei fünf Dollar pro Nutzer und Jahr, für Kunden aus dem Bildungsbereich bei zwei Dollar pro Jahr und Nutzer. Cubebackup lässt sich auf Windows (Client und Server), Linux und Docker einrichten. Der Anbieter ist Google-Cloud-Partner und verspricht ausdrücklich DSGVO-konform zu arbeiten – ist aber bisher in Europa kaum präsent. Dafür steht eine 14 Tage kostenlose Testversion zur Verfügung. Mit ihr lässt sich erproben, ob man mit der Lösung auch ohne lokale Unterstützung zurechtkommt.
Ein externes Backup von Google Drive ermöglicht auch Backupify. Allerdings wurde das US-Unternehmen bereits im Dezember 2014 von Datto übernommen. Für den Käufer war es einer der ersten Schritte auf dem Weg vom Hardware-orientierten Backup-Anbieter für KMU hin zum Infrastrukturanbieter für Managed Service Provider. Die Backupify-Technologie ist inzwischen in das Angebot Datto SaaS Protection eingeflossen. Damit können Dienstleister ein Cloud-to-Cloud-Backup von Kundendaten in Microsoft 365 und G Suite anbieten. Welche das tun, müssen Anwender selber herausfinden.
NAS-basierende Angebote von Synology und Qnap
Synology bietet seinen Kunden im Rahmen des Diskstation Manager auch ein Active Backup for G Suite. Es handelt sich dabei um eine kostenlose Zusatzanwendung für zahlreiche NAS-Modelle von Synology. Sie erlaubt es laut Hersteller auch, nicht nur vollständige Sicherungen zu machen, sondern einzelne Dateien wiederherzustellen und erfüllt rechtliche Anforderungen an die Aufbewahrung von Daten in Unternehmen. Für Microsoft 365 hat Synology eine vergleichbare Zusatz-Software im Portfolio.
Active Backup for G Suite von Synology und erlaubt die Wiederherstellung einzelner Dateien samt Metadaten, von E-Mails, E-Mail-Anhängen, Kontakten und Kalenderereignissen (Bild: Synology).
Einen ähnlichen Weg wie Synology geht auch QNAP. Hier heißt das Angebot Boxafe. Die Software setzt mindestens die Firmware QTS 4.4.2 voraus. Sie ist ebenfalls lizenzfrei und speichert Sicherungsdaten im versteckten Ordner des Volumes, um unbefugten Zugriff zu verhindern. Die Daten lassen sich dann aber nicht mehr zusätzlich auf ein anderes Gerät sichern. Neben G-Suite-Daten – außer Google Drive auch Gmail, Kontakte und Kalender – sichert Boxafe ebenfalls Daten aus Microsoft 365.
Backup and Sync und Drive File Stream reichen nicht aus
Keine wirkliche Alternative sind übrigens Backup and Sync und Drive File Stream, die Google als Ersatz für die Google-Drive-App zur Nutzung für den persönlichen Gebrauch beziehungsweise für Unternehmen eingeführt hatte. Sie basieren auf dem früheren Google Drive Sync Client, bieten aber eine neue Benutzeroberfläche und einige zusätzliche Funktionen. Beide sorgen für Backup und Synchronisierung der Google-Drive-Daten zusätzlich zur lokalen Version in anderen lokalen Ordnern in der Google-Cloud.
»Ein unabhängiges, von der SaaS-Anwendung getrenntes Backup ist notwendig, um die häufigste Ursache von Datenverlusten zu vermeiden: das versehentliche Löschen von Dateien oder E-Mails durch Benutzer«, gibt zudem Datto Mitarbeiter Ilka zu bedenken. Auch Schutz vor Ransomware bieten sie nicht. Wenn eine Ransomware Dateien verschlüsselt, synchronisiert der Client von Google diese verschlüsselten Dateien pflichtbewusst mit der Cloud. Beim Einsatz von Google File Stream für die Zusammenarbeit in Firmen, kann sich Ransomware zudem auf alle freigegebenen Dateien und Ordner verteilen. Ihre Verantwortung im Rahmen des Modells der »Shared Responsability« können Kunden damit also nicht wahrnehmen.
Weiterer Nutzen von Backup-Tools für G Suite
Datensicherung und Aufbewahrungsfristen einzuhalten ist das eine. Zusätzlich bieten aber die meisten der Backup-Angebote für G Suite auch weitere, praktische Funktionen, die Google alleine so nicht unterstützt. Zum Beispiel lassen sich Daten aus zwei G Suiten nicht einfach zusammenführen. Das ist aber unter Umständen sinnvoll, wenn zum Beispiel ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt und ein anderer seine Aufgaben übernehmen soll.
Schwachpunkt von Google: Ordnerstrukturen in Google Drive oder Shared Drives lassen sich nicht wiederherstellen. Ein Backup ist daher unerlässlich (Bild: Canva)
Ein weiterer Schwachpunkt von Google ist, dass sich Ordnerstrukturen in Google Drive oder Shared Drives nicht wiederherstellen lassen. Wahrscheinlich findet Google Ordner altbacken und vertraut auf seine Stärken bei der Suche. In der Praxis orientieren sich aber viele Nutzer immer noch an Ordnerstrukturen und ist auch bei der gemeinsamen Nutzung die Aussage »das findest du im Ordner Projekte im Unterordner Webcasts im Ordner 2020« gängig. Die Ordnerstruktur nach einem Notfall genauso wie gewohnt wieder vorzufinden, ist daher für viele Nutzer ein wichtiger Aspekt.
Schließlich erstellt Google nur eine Versionshistorie von Google-Dokumenten. Von in Google Drive vorgehaltenen PDF-Dateien, Text-Dateien oder auch Microsoft Office-Dokumenten, die durch lokale Anwendungen verändert wurden, lassen sich daher in vielen Fällen keine früheren Versionen mehr zurückholen. Google speichert in seiner Cloud nur die jeweils aktuellste Version – sofern die Anwender nicht die Disziplin haben, Versionsnummern zu vergeben.
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