Anzeige

Ist die Cloud die Zukunft? Ja, aber…

Leserfrage: Je nachdem mit wem man spricht, aber auf Anbieterseite geht ohne der Cloud nichts mehr. Aber ist dem wirklich so? Administratoren und IT-Manager sind hier durchaus anderer Meinung. Daher, ist die Cloud wirklich die Technologie der Zukunft oder eher ein weiterer Baustein in der IT?

Antwort Doc Storage:

Zeitreise nach Europa im Jahr 2025: Teenager sind frustriert, weil ihre Lieblings-Onlinespiele immer langsamer werden. Anwender sind besorgt, weil ihre Gesundheits-App kaum noch reagieren oder Autos immer noch nicht so wirklich autonom fahren wollen.

Es gibt Prognosen, dass bis zu diesem 2025 mehr als 80 Milliarden Geräte, von Wearables und Smartphones bis hin zu Fabrik- und Smart-City-Sensoren, mit dem Internet verbunden sein werden. Knapp 200 Billionen GByte an Daten würden dann in diesem Jahr generiert, transportiert und auch irgendwo gespeichert. Dies ist in noch nicht einmal drei Jahren!

Derzeit werden fast alle generierten Daten an irgendwelche Cloud-Dienste gesendet und dort verarbeitet. Die Cloud ist damit eine Einrichtung, die jeweils praktisch unbegrenzte Computerleistung und Speicherplatz über öffentliche Netze bereitstellt. In letzter Zeit wird dieses Verfahren schon zunehmend unpraktisch und langsam, aber bis weitere Milliarden verschiedenster Geräte mit ihnen verbunden sein werden, sind große Verzögerungen aufgrund überlasteter Netzwerke unausweichlich. Die Frustration von Benutzern wie Hans und Jenny wird nicht mehr die Ausnahme, sondern der normale Zustand sein, wenn Apps mit entfernten Clouds über ein überlastetes Internet kommunizieren, damit immer langsamer und weniger reaktionsschnell werden.

Längere Reaktionszeiten oft nicht tragbar

Aber leider sind alle Nutzer auf »always on« und kürzeste Reaktionszeiten konditioniert. Online-Gamer haben schlechtere Spielerlebnisse, falls auf ihren Smartphones oder Pads eine Verzögerung von auch nur 50 Millisekunden auftritt. Schon eine Verzögerung von zehn Millisekunden zwischen einer Kopfbewegung und dem Erscheinen verarbeiteter Informationen auf einer Datenbrille verursacht in vielen Fällen Übelkeit und Kopfschmerzen.

Weitere Szenarien gefällig? Eine Verzögerung von einer Zehntelsekunde wirkt sich für ein autonom mit 100 km/h fahrendes Auto katastrophal aus. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, dass Verzögerungen im Online-Datenverkehr zu Risiken für Leib und Leben führen werden. Wenn Cloud-Benutzer in Echtzeit arbeiten wollen und Verzögerungen von nicht mehr als einer Millisekunde auftreten dürfen, müssen die Daten weniger als 150 Kilometer vom Benutzer entfernt verarbeitet werden (die alte Synchronspeicher-Regel). Immer mal optimistisch vorausgesetzt, Netzwerke weltweit könnten Daten mit Lichtgeschwindigkeit übertragen, was sie nicht können.

Edge-Computing muss die Cloud entlasten

Edge-Computing ist eine Technologie, die seit Jahren schon tief in den kleinen Kinderschühchen steckt, aber hierfür eine Lösung bieten könnte. Verzögerungen werden reduziert oder gar eliminiert, indem Daten in physikalischer Nähe zu den Endgeräten verarbeitet werden, an welchen sie benötigt werden. Also am Rand eines Netzwerkes (daher der Name), anstatt in einer unbrauchbar weit entfernten Cloud. Beispielsweise könnten Daten von Smartphones auf einem Router zuhause verarbeitet oder Navigationshinweise in Fahrzeugen von einer mobilen Basisstation anstatt aus einer Cloud bezogen werden.

Der Wert von Edge-Computing besteht darin, Anwendungen durch Minimierung oder gar Eliminierung von Verzögerungen wesentlich reaktionsschneller zu machen, als das mit anderen Technologien heute möglich ist und auch auf absehbare Zeit möglich sein wird. Viele große Hersteller investieren seit Jahren in die Entwicklung entsprechender Systeme. Der Markt bewegt sich auf vielen Gebieten in Richtung Edge, Forscher an vielen Universitäten und in großen Laboren untersuchen und entwickeln diese Technologie zur baldigen Anwendungsreife.

Kostengünstige Anwendungen verlangen, dass viele Daten lokal vorverarbeitet werden, bevor sie an eine Cloud gesendet werden. Proof-of-Concepts vieler Pilotprojekte haben in der letzten Zeit zeigt, dass eine Vielzahl von Anwendungen von der Nutzung dieser Vorgehensweise profitieren, darunter nicht nur Online-Spiele und Navigation, sondern auch Gesundheits-Apps, autonomes Fahren oder militärische Applikationen.

Einige Zusammenschlüsse von Herstellern haben bereits Standards für die Nutzung des Edge-Computing entwickelt und arbeiten ständig weiter daran. Selbst große Cloud-Anbieter wie Amazon und Microsoft haben Software-Systeme für diese Umgebungen entwickelt. Der Wert des gesamten Marktes wird in den nächsten zwei Jahren auf acht bis zwölf Milliarden Euro geschätzt.

Die Cloud ist nur ein Baustein der IT

Cloud-Rechenzentren sind heute Installationen mit Verarbeitungs- und Speicherkapazitäten weltweit und eine nicht mehr wegzudenkende zentrale Säulen moderner Volkswirtschaften. Sie sind kritische Infrastrukturen, wie wir immer wieder merken, wenn als selbstverständlich always-on gewohnte Dienste einmal für ein paar Stunden nicht zur Verfügung stehen und die Hälfte der Bevölkerung in Massenpanik verfällt wie damals bei Orson Welles. Sobald die Verarbeitung allerdings »am Rand« erfolgt, wird sich die zentrale Rolle der Cloud ändern.

Sie muss sich ändern, da derlei Dienste schlichtweg nicht für alle Anwendungen und deren Reaktionsansprüche geeignet sind. Dabei werden die massiven Speicher und die skalierbaren Ressourcen der Cloud »am Rand« mit seinen begrenzten Rechen- und Speicherkapazitäten nicht zugänglich sein können. Aber die Edge wird ein zentraler Dienst der Echtzeitverarbeitung werden. Edge kann und wird es ohne Clouds nicht geben, aber die Clouds werden zu einer passiveren Technologie. Die für die Verarbeitung und Speicherung erforderlichen Ressourcen werden zwischen beiden dezentralisiert.

Die Cloud ist also ein Teil der Zukunft. Aber ein sehr, sehr dicker, langsamer, unbeweglicher Teil. Den Rest müssen andere Lösungen erledigen.

Also hört auf zu jammern und macht es wieder richtig!

Gruß
Doc Storage

Anzeige