Und die USA hat doch aufgezeichnet
*** Editorial von Engelbert Hörmannsdorfer, ChR ECMguide.de ***
Mittlerweile gibt es in den USA eine große Diskussion um die angewandten Abhör- und Überwachungspraktiken der scheidenden Regierung. Ausschlaggebender Zündfunke hierfür ist ein aktuelles Interview eines ehemaligen Mitarbeiters des US-Geheimdienstes National Security Agency (NSA) mit dem Nachrichtensender MSNBC.
Russell Tice, so der Name des Ex-NSA-Agenten, bestätigt darin die schlimmsten Befürchtungen der Datenschützer und Überwachungsgegner: »Die NSA hat Zugang zu der Kommunikation aller US-amerikanischen Bürger, egal, ob sie hierfür ein Telefon, Fax oder ihren Computer verwenden. Es wird alles überwacht.« Insbesondere von Nachrichtenorganisationen, Zeitungen und Journalisten seien in dieser Zeit umfangreiche Überwachungsprotokolle angelegt worden.
Dass eine Überwachung in diesem Ausmaß heute technisch bereits ohne weiteres möglich ist, ist Datenschützern freilich schon bewusst. Auch Branchen-Insider aus der Storage- und Security-Industrie wissen schon längst, was technisch alles machbar ist.
Trotzdem dürfte es viele überraschen, dass die USA so unverfroren und umfangreich zu Werke gingen. Interessant an dem Interview ist, dass man wohl nur wegen der schieren Menge an Daten anscheinend an gewisse Grenzen stieß. »Natürlich ist es auch der NSA nicht möglich, die Kommunikationsdaten der gesamten Bevölkerung zu sammeln. Man hat die Daten vielmehr zunächst in Form einer Meta-Analyse ausgewertet und anschließend festgelegt, welche Kommunikationen genauer überwacht werden sollten«, räumt Tice in einem Bericht des Weblogs »The Raw Story« ein. Hierbei habe man sich insbesondere auf die Überwachung von Nachrichtenorganisationen und deren Mitarbeitern konzentriert. »Während eines NSA-Einsatzes, an dem ich beteiligt war, sahen wir uns ohne konkrete Absicht spezielle Organisationen an. Erst im Nachhinein fand ich heraus, dass die Sammlung der Kommunikationsdaten bei den betroffenen Unternehmen rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr fortgesetzt worden war.«
Tja, was lernen wir daraus? Zum einen: Wenn etwas technisch machbar ist, gibt es immer irgendwo einen Staat, der es auch umsetzt. Gehen Sie also davon aus, dass irgendwo auf der Welt der gesamte elektronische Datenverkehr aufgezeichnet und gespeichert wird. Und zum anderen: Wir werden uns wohl oder übel alle stärker mit Verschlüsselung befassen müssen, als uns lieb ist. Es dürfte wohl das einzige probate Mittel für Privatpersonen und Unternehmen sein, die eigenen Daten und den Datenaustausch mit anderen unter Verschluss zu halten.
Freilich können wir alle hoffen, dass es mit dem Amtsantritt Barack Obamas zu einer Verbesserung der Datenschutzsituation in den USA kommt. Der neue US-Präsident tritt bekanntermaßen sehr viel deutlicher als sein Vorgänger für rechtsstaatliche Prinzipien ein. Aber ich befürchte, wenn sich eine Abhör-Bürokratie erst einmal etabliert hat, ist es vermutlich auch für einen Barack Obama schwer, diese zu stoppen .
Engelbert Hörmannsdorfer, ChR ECMguide.de