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Im Interview: IBM Deutschland

Stefan Neff, Senior IT Specialist, Solution Architect, IBM Deutschland

Trotz vorherrschendem Backup-to-Disk-Trend führt an Bandlaufwerken und Tapes immer noch kein Weg vorbei. Im Zeitalter des neuen Archivierungstrends wird mit der zunehmenden Auswahl an verschiedenen Lösung Tapes oftmals ein zweites Leben eingehaucht.
Wir sprachen mit Stefan Neff, Senior IT Specialist, Solution Architect FTSS for Backup, Archive and Tape Solutions bei IBM Deutschland, über die neue Rolle des klassischen Backup-Mediums Band sowie neueste Backup-Technologien, -Strategien und -Produkte.

Wie verändert sich die Rolle des klassischen Backup-Mediums Band im Zeitalter von Backup-to-Disk? Ist es richtig, dass es zunehmend zum Archivmedium wird?

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 Stefan Neff 
Stefan Neff
Neff: Im Zeitalter von Backup-to-Disk haben wir es leider auch mit ständig steigenden Energiekosten zu tun. Datensicherung auf Tape ermöglicht eine hohe Energieeffizienz im Sinne von Green-IT. Insofern setzt IBM auch weiterhin in erster Linie auf so genannte Hybrid-Lösungen, die typischerweise plattenbasierende Virtual-Tape-Systeme oder ähnliche Konzepte mit Disk-Buffer im Frontend für schnellen Restore-Zugriff gewährleisten. Zur kostengünstigen und absolut sicheren Aufbewahrung der Daten wird weiterhin meist klassisches Tape im Backend eingesetzt. Da die heutigen Tape-Laufwerke schneller sind als die meisten Festplatten oder Server, kommt man ohnehin typischerweise um eine Konsolidierung der Daten im Frontend, gegebenenfalls Disk-Buffer der Backup-Software, nicht herum. Bei genauerer Betrachtung von Themen wie Deduplikation zeigt sich häufig, dass eine Datenreduktion mit dem Faktor >10 in der Praxis aus verschiedenen Gründen kaum erreichbar ist. Daher sind bereits ab 10 bis 20 TByte Datenbestand Speicherlösungen, die Tape beinhalten, weiterhin wirtschaftlich interessant. Sicher sprechen weiterhin auch Aspekte wie »Tape is removable«, »Tape is transportable« und »Tape ist robuster gegen Wasser und Feuer« dafür, die wichtigsten betrieblichen Daten auf physikalischem Band zu sichern.
Vor dem Hintergrund der noch zu erwartenden Steigerung der Kapazität von Tape-Speichersystemen in der Zukunft sehen wir daher Tape nach wie vor nicht nur als Archivmedium sondern weiterhin auch als Medium für Backups. Für große Datenbanken gibt es z.B. nichts schnelleres und kostengünstigeres als das direkte Backup auf Band. Im Bereich Online-Storage (z.B. Video-Archive) findet Tape ebenfalls eine steigende Verbreitung. Die IBM sieht ihre Stärke darin, dass wir unsere Kunden End-to-End beraten können und für jede individuelle Kundenanforderung eine passgenaue Backup-/Archivierungslösung entwickeln und anbieten können – egal ob dann letztendlich Platte, Band, Virtual-Tape-Librarys (VTLs), Deduplikation oder eine Kombination dieser Technologien zum Einsatz kommt.

Das Thema Archivierung greift jüngst mit den Compliance-Anforderungen immer mehr um sich. Sind Unternehmen aus der Backup-Szene darauf vorbereitet, oder wird dies auch zukünftig ein Gebiet für spezialisierte Archivierungsanbieter sein?

Neff: EuroSOX, MoReq2, ISO 9000, GDPdU etc. – die Compliance-Anforderungen an die IT werden immer komplexer. Was müssen wir tun? Was sollten wir tun? Was lassen wir lieber? So fragt sich manches Unternehmen. Vorstände und Geschäftsführer sind persönlich und gesamtschuldnerisch haftbar für die Einhaltung dieser und vieler weiterer Einzelregelungen, etwa für den Finanzbereich oder zur Archivierung von E-Mails. Nicht alle Gesetze und Normen gelten für alle Unternehmen. Wie ein auf IT-Recht spezialisierter Rechtsanwalt mir kürzlich bestätigte, herrscht derzeit große Rechtsunsicherheit. Für international agierende Unternehmen gilt eine Vielzahl verschiedener Rechtsnormen.
Zudem unterscheiden sich die Anforderungen für einzelne Branchen sehr stark, weil oft Spezialregelungen zutreffen. Beispielsweise sind bei der Datenarchivierung neben den allgemeinen IT-Gesetzen auch die jeweiligen branchenspezifischen Regelungen einzuhalten. Der innerbetrieblichen Verantwortliche kann im Regelfall kaum beurteilen, welche Maßnahmen aus der Fülle der Normen eigentlich zwingend umzusetzen sind und welche er in der Prioritätenliste nach hinten verschieben oder sogar außen vor lassen kann; kurz: was wirtschaftlich angemessen ist. Er muss sich folgende Fragen stellen: Ist sein Unternehmen im juristischen Sinn compliant? An welcher Stelle muss das Unternehmen eigentlich compliant sein? Hinsichtlich der internen Prozesse und IT-Systeme? Wie wahrscheinlich ist ein Schadensfall? Welche Auswirkungen hätte er? Lohnt es sich nach Maßgabe der Betriebswirtschaft, die dafür notwendigen Vorkehrungen zu treffen? Ein Compliance-Assessment kann hier hilfreich sein. Gerade im Bereich Dienstleistung/Beratung werden wir hierzu entsprechend am Markt neue Angebote sehen. Auch IBM hält hier entsprechende Dienstleistungen bereit.

Auch kleine Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass eine kontinuierliche Datensicherung überlebenswichtig ist. Aber wie ist die Qualität von Backup-Maßnahmen in kleinen und mittleren Betrieben einzuschätzen? Befassen sich KMUs Ihrer Ansicht nach ausreichend mit dem Recovery/Restore der Daten?

Neff: Leider stellen wir in der Praxis regelmäßig fest, dass der eigentliche Zweck eines Backups, nämlich der Restore, in entsprechenden SLAs zu wenig im Fokus ist. Landläufig herrscht noch die Hoffnung, dass im Falle eines Disasters oder Datenverlustes »schon alles gut gehen wird«. Tritt der Fall dann tatsächlich ein, wird man oft eines Besseren belehrt und merkt erst dann, welche Konsequenzen Datenverlust oder auch nur Datenzugriffsverlust mit sich bringen können. Mit den heute vorhandenen Technologien und Skalierungsmöglichkeiten von Software bis Hardware lassen sich End-to-End-Backup und Archivierungslösungen auch für die KMUs wirtschaftlich anbieten. Wichtig in diesem Zusammenhang ist es, den Kunden individuell zu beraten und die passende Backup-Strategie für seine Zwecke zu entwickeln. Oft haben gerade KMUs nicht die notwendige Manpower in ihrer IT-Abteilung, um alle Themen tiefgreifend abzudecken. IBM als umfassender Anbieter und seine Partner, gerade für den Mittelstand, sind hier die idealen Partner.

Auf welche Technologie setzen Anwender vorzugsweise, die Tape heute für Backup verwenden? LTO-3 und LTO-4? Wann kommt LTO-5? Und wie entwickeln sich derzeit DLT, DAT, AIT und andere Technologien auf dem Markt?

Neff: Im Bereich Open-Systems-Tape-Backup/Archive ist LTO bereits seit einigen Jahren der Standard. DLT, DAT und AIT sind fast verschwunden und werden auch von den Herstellern nicht mehr weiterentwickelt. Wir erwarten mit LTO-5 im Laufe von 2010 eine weitere Verdopplung der Bandkapazität.
Bereits heute sind mit der IBM-Enterprise-Bandtechnologie »TS1130« native Kapazitäten bis zu 1 TByte auf Band möglich. Versuche im Lab haben bereits im Jahr 2006 gezeigt, dass diese Technologie bis 8 TByte auf Band steigerbar ist. Mit über 60.000 solcher Laufwerke vom Typ »3592« im Feld ist dieser Typ Laufwerk quasi Standard im Enterprise-Umfeld. Der Clou dieser Technologie liegt darin, dass Medien mit neuen Laufwerksgenerationen weiterhin verwendet werden können. Somit können z.B. Kunden der ersten Generation mit 300 GByte auf der Kassette nach dem Laufwerks-Upgrade auf Generation 3 auf dem gleichen Medium 640 GByte schreiben. Sie können also nur durch Laufwerkstausch die Kapazität einer Installation mehr als verdoppeln. Dies bietet einen sehr hohen Investitionsschutz auf dem Teil der Lösung, der bei einer Neuanschaffung die meisten Kosten verursacht: das Medium. Diesen Vorteil hat LTO leider nicht. Deshalb wägen wir bei unserer Beratung Mehrwert und Mehrkosten von TS1100 versus einer LTO-Lösung sehr genau ab.

Was zeichnet eine gute Backup-Software aus? Welche technische Entwicklung, Neuerungen und Features können Unternehmen von kommenden Software-Generationen erwarten?

Neff: Eine gute Backup-Software unterstützt in ihrer Skalierbarkeit das Datenwachstum. Sie arbeitet transaktionsorientiert und ist offen für alle Technologien, sei es die Unterstützung von unterschiedlichsten Speichertechnologien (Platte, Tape, Optical, WORM etc.) oder die aktive Nutzung von methodischen Verfahren zur umgebungsspezifischen Datensicherung (z.B. Online-Datenbanken).
Ich persönliche erwarte gerade im Bereich des integrierten Disk-Buffer-Support noch effektivere und intelligentere Nutzung (wie z.B. heute schon ab ‚IBM TSM version 6.1’ integrierte Deduplikation). Selbstverständlich darf dabei die Performance nicht eingeschränkt werden. Des Weiteren erwarte ich noch tiefere Integration der Backup-Software in Anwendungen, um z.B. unterbrechungsfrei auch große Datenbanken oder große Filesystem-Spaces sichern zu können. Hier sehen wir bei IBM erste Ansätze durch den Support von HSM (Hierachical Storage Manager) zusammen mit unserem SOFS (Scale out filesystems Services). Granulare Lösungen für Information-Lifecycle-Management und damit die Fragen »Welche Daten haben welchen Wert und müssen wie lange vorgehalten werden?« Welche Daten müssen bei Bedarf wie schnell wieder zur Verfügung stehen?« gilt es weiterhin zu verbessern.
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