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Corona & IT Teil 2: Bedeutet das Virus das Ende der Edel-EDV?

Kolumne Doc Storage:

Liebe Leser,

Auch in dieser Woche kann, ja, will ich mich nicht mit Technik beschäftigen. Dies scheint in solchen Zeiten so profan zu sein, wie es nur eben geht. Der einzige Test, den man durchziehen könnte, wäre der für Videokonferenz-Software. Aber ich denke, auf diesem Gebiet haben wir inzwischen alle selbst unsere Erfahrungen gesammelt.

Betrachtet man die Welt im Moment und vor drei Wochen, so scheint es, als würde man über das Leben in einem weit entfernten letzten Jahrhundert sprechen. Viele Dinge, die »damals« wichtig schienen, haben sich als völlig unnötig herausgestellt. Vieles, ohne dass wir uns unser Leben nicht vorstellen konnten, geht uns nun, da wir es nicht mehr haben, überhaupt nicht ab. Oder wenigstens nicht so stark, wie wir es damals vermutet hätten.

Betrachten wir nur einmal die Art, wie wir unser Geschäft machen. Als Hersteller dachten wir damals, wir müssten unsere Horden von Verkäufern und Presalern mit dem Auto, Zug und Flugzeug quer durch das Land und den Kontinent hetzen, nur um den nächsten Termin von Auge zu Auge mit einem Kunden wahrnehmen zu können. Da wurden wöchentlich dutzende Stunden nur damit verschwendet, von einem Ort zum anderen zu kommen. Hunderte von Euros für Hotels, Sprit, Essen in Restaurants und was weiß ich nicht noch alles auf den Spesen angehäuft. Viele Presaler betrachteten nicht ihre Verkaufserfolge, sondern die goldenen oder gar schwarzen Karten der Airlines als Statussymbol. In vielen Jobs mussten zwei oder mehr Laptops und kilometerweise Kabel mitgeschleppt werden, um Demos abzuhalten, falls die Einwahl über VPN ins eigene Netz mal wieder nicht klappen wollte. Für jeden Tag wurde ein frisches Hemd und eine andere Krawatte eingepackt, mindestens zwei Dreiteiler für die Woche kamen auch noch mit. Und das obligatorische zweite Paar hochpolierte Schuhe. Und wofür? Ach ja – um einen möglichst professionellen Eindruck beim Kunden zu hinterlassen.

Es geht auch ohne Vor-Ort-Sales

Und heute? Wir haben innerhalb von nur zwei Wochen festgestellt, dass sich (fast) jedes Produkt, vernünftig dargeboten und entsprechend präsentiert, genauso gut über den Äther verkaufen lässt. Gutgutgut, ich gebe zu, dass ich nicht erlebt haben möchte, wäre diese Pandemie vor 25 Jahren passiert. Ohne DSL, Glasfaser oder mindestens 4G. Aber heute sitzen wir am Rechner, haben unsere Demo-Umgebungen (oder eben Präsentationen, Bildchen oder was auch immer) auf dem zweiten Bildschirm liegen und legen los.

Um zehn Uhr mit Island, um zwölf mit Südafrika und nach dem Kaffee mit dem Kollegen in München. Ohne sich nur einen Meter weit weg bewegt zu haben. Stimmt auch nicht, der Kaffee muss sein, und die Maschine steht unten im Erdgeschoß. WebEx, GoToMeeting, Teams und Zoom liegen auf dem Desktop bereit, und werden auch jeden Tag mehrfach gebraucht. Das Schöne daran ist, dass sich das Publikum ebenso nicht von seinem Schreibtisch wegbewegen muss, um den Präsentationen, Schulungen oder anderen Gesprächen beizuwohnen. So ist – nach meinen Erfahrungen – die Teilnahmerate wesentlich höher als bei lokalen Einladungen. Und es wagt niemand, zu spät zu kommen, weil er dann vom Rest der Meute, ebenfalls über das Medium, sofort verfolgt und angehauen wird.

Aber das allerschönste – achten Sie mal drauf – ist, dass wir uns nicht mehr wie zum Karneval verkleiden müssen. Mir konnte sowieso noch nie jemand erklären, was Anzüge und Krawatten mit EDV zu tun haben. Die Menschen, die sonst aussahen als würden sie sich für einen Job in einer Bank bewerben wollen, sitzen sich gegenüber, im Hoodie, T-Shirt oder höchstens mal im Hemd. Ein entspannteres Publikum kann man nicht bekommen als dieser Tage.

Und noch eine interessante Sache – man bekommt mit, wie sich der eine oder andere eingerichtet hat, kann das Gespräch auf Hobbys oder die Familie lenken, und das Gespräch wird noch lockerer. Und hat den Lacher auf seiner Seite, wenn die Katze meint, sich auf die unterleuchtete Tastatur setzen zu müssen. Ein schöner Nebeneffekt der neuen Art zu kommunizieren ist, dass wir uns Leute aus allen Ecken der Welt zum selben Gespräch zusammenholen können, ohne einen großen Aufwand zu betreiben. Wer das mal bei irgendeinem Kunden versucht hat, so nach dem Motto, »warten Sie, ich hole eben noch die Kollegen aus XY dazu«, der weiß was ich meine.

Corona beendet die Dominanz teurer Beratungsleistung, Software und Edel-Hardware

Eine weitere Sache, die ich mit einem großen bösen Schmunzler betrachte ist, dass sich viele Hersteller von unnötig komplexer Software und deren Rattenschwanz von »Beratern« ein ganz neues Konzept ausdenken müssen, wenn sie nach dieser Pandemie überleben wollen. Die Kunden wollen jetzt und in Zukunft Systeme, die sie selbst installieren und zur Not auch warten können, vielleicht mit der Hilfe eines Chats aus der Software heraus mit dem Support des Herstellers, höchstens mal mit einem Anruf oder einer E-Mail. Tage- und wochenlange Installations- und Anpassungseinsätze durch Presaler, Customer Engineers oder – schlimmer – »Berater werden nicht mehr akzeptiert. Ich gehe fest davon aus, dass die Kunden dafür schlichtweg nicht mehr bezahlen wollen.

Und weil sie in dieser Zeit feststellen können, wo denn Systeme sind, die sie selbst installieren und anpassen können. Und die deshalb nicht mehr fünfstellige Beträge für Lizenzen abrufen. Ja, ich sage voraus, dass viele Unternehmen der Edel-EDV sich in den kommenden Wochen und Monaten ganz schnell mit neuen Preislisten an den Markt wagen müssen, oder schlichtweg aussterben werden. Niemand wird nach den Ereignissen des Frühjahres 2020 mehr unverschämte Beträge vor allem für Software ausgeben wollen, nur damit die Verkäufer der Firmen auf 101-Clubs in die Karibik geschickt oder sich neuweltliche Investoren die Taschen vollmachen können.

Jaja, ich weiß, es gibt natürlich auch Hardware, die an den Mann gebracht sein will. Aber seien wir doch mal ehrlich – wie groß ist heute noch der Anteil der Systeme, die tatsächlich vom Hersteller angeboten, angeliefert, aufgestellt und eingerichtet werden? Die Zeiten der großen Blöcke wie Lightning, Shark oder Symmetrix ist sowieso lange vorbei. Und für das Aussehen dieser Dinger interessiert sich sowieso niemand mehr (meistens 19 Zoll, ein paar Höheneinheiten, und blinkiblinki). Also kann man die Funktionen der Benutzeroberfläche ebenso von irgendwo präsentieren, und die paar Bilder kann man auf diesem Weg ebenso liefern (beeindruckender Blick auf die Rückseite mit ich-weiß-nicht-wie vielen Anschlüssen sonst welcher Art).

Ja, es ist (leider?) so – Presales kann auf diese Art tatsächlich geändert werden. Eventuell hat er sich gerade revolutioniert, ohne dass wir das wirklich wollten.

Auch IT-Abteilungen bzw. Geschäftsleitungen müssen sich nun bewegen…

Mit einem weiteren bösen Schmunzler schaue ich auf alle, wirklich alle faulen EDV-Abteilungen (siehe den Beitrag letzte Woche), die nun zur Anpassung ihrer Systeme, Netze und Zugänge auf die neue Art zu arbeiten gezwungen werden. Nun haben sie in den Sitzungen mit dem Vorstand (Entschuldigung, für die jüngeren »C-Level«) keine Argumente mehr, die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse runter und unmöglich zu rechnen. Nun MÜSSEN Laptops her und alle Zugänge zum Firmennetz bidirektional ausgelegt und gesichert werden.

Jeder, der mir jetzt noch erzählt, dies sei zu teuer (weil ja CAPEX und so ein Blödsinn) und mit dem jetzigen Personal in der Abteilung nicht zu machen, der soll in Hamburg Fisch verkaufen gehen oder sonst etwas, aber keinen Rechner mehr anfassen. Und vor allem keine solche Abteilung führen.

Aktuelle Situation bringt der Branche viel Positives

Aus dieser (uns aufgezwungenen) Situation gibt es fast nur positive Schlüsse zu ziehen. Wir fahren weniger in der Gegend herum (ich habe beispielsweise in den letzten drei Wochen genau einmal getankt, sonst alle zwei bis drei Tage), fliegen wesentlich weniger (ich seit Freitag dem 13. März nicht mehr), und treffen in deutlich kürzerer Zeit viel mehr Leute (natürlich am Bildschirm, ohne Gesichtsmaske). Somit geht es der Umwelt (etwas) besser, unser Kreislauf dankt es uns, und betrachtet man viele EDV-Unternehmen, hat es offenbar seit ein paar Wochen keinen großen Einschnitt gegeben. Diese Situation zeigt uns, womit wir eigentlich sehr gut auskommen, von dem wir vorher gedacht haben, wir könnten ohne leben – und ich meine kein Toilettenpapier oder Mehl. 

Sollte es tatsächlich Einschnitte gegeben haben, sollten, nein müssen sich die Leute einmal überlegen, was wohl falsch gelaufen ist. Ich spreche nicht über die Friseure, Nagelstudios oder Restaurants, die zumachen mussten. Die können einem immer noch leidtun. Ich spreche von denen, die sich seit Jahrzehnten wie Parasiten auf die EDV draufgesetzt oder an sie angehängt haben. Die »Berater«, die von absichtlich immer komplexer gestalteten Produkten und deren Anpassung gelebt haben, die Hotels, die zu Messezeiten schonmal vierstellige Beträge (pro Nacht!!!) aufriefen, die Autohersteller, die meinten, für einen Mittelklasse-Dienstwagen mittlere fünfstellige Summen kassieren zu können. Bisher hat das ja wunderbar funktioniert, weil es kaum einen wirklich interessiert hat. Aber jetzt sollten sich diese Herrschaften, vor allem die Berater, mal wieder richtige Arbeit suchen.

Noch Ende letzten Jahres habe ich gedacht, ich sehe nicht richtig – stand da doch in einer anderen Online-Publikation etwas von »2.000 bis 2.500 Euro für xyz-Berater«. Pro Tag! Allen Ernstes! 40.000 bis 50.000 Euro, pro Monat! Gott sei Dank – das wird ab jetzt niemand mehr zahlen. Und wenn es jemand in einem Leserbrief auch nur wagen sollte anzudeuten, dafür hätte einer von denen ja auch Gegenwert geliefert – der kann mich dann hinter meinem Bürosessel lachend vom Fußboden aufsammeln.

So – und jetzt habe ich meine nächste Videokonferenz… 😉

Gruß
Doc Storage

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