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Vom ungleichen Kampf um die persönlichen Daten

*** Blog von Engelbert Hörmannsdorfer, speicherguide.de-Redaktionsmitglied ***

AGBs – was sind schon AGBs. Wie groß mag die Anzahl der Nutzer von Facebook sein, die die AGBs des Social-Network jemals gelesen haben? Ein Prozent? Ein Promille? 0,1 Promille? Noch weniger? Keiner weiß es. Es scheint auch keinen zu stören, was da drinsteht. Es ist kostenlos, und deshalb stimme ich sowieso zu.

So denken wohl die meisten Nutzer. Das Problem ist nur: Sie verkaufen damit freiwillig und unwissentlich ihre Daten. Nicht nur die, die sie in ihrem Profil angeben – sondern noch viel viel mehr. Ohne Panikmache und mit ungebrochener Lust an Technologie, erklärt Max Schrems in seinem neuen Buch »Kämpf um Deine Daten«, wie Konzerne ihre Kunden durchleuchten, auch ohne dass die ihre Daten angeben. Wie aus unproblematischen Daten neue, hoch persönliche Informationen oder sogar unsere zukünftigen Gedanken hochgerechnet werden. Wie sich die IT-Wirtschaft mit ihren politischen Lobbyisten die Möglichkeiten dafür schaffen. Wie sie alle, denen das nicht passt, so lange mit leeren Floskeln einlullen, bis sie überzeugt sind oder entnervt aufgeben. Wie die Behörden und Staaten dem machtlos gegenüber stehen, und wie uns das im täglichen Leben betrifft.

Löschen bei Facebook? Bestenfalls nicht sichtbar machen

Max Schrems, »Kämpf um Deine Daten«, edition a Verlag, Wien, 2014, 19,95 Euro, 222 SeitenSie kennen Max Schrems nicht? Der Wiener Jura-Student wollte vor rund drei Jahren wissen, was Facebook über ihn gespeichert hat. Er bekam sage und schreibe 1.200 DIN-A4-Seiten – und der Knüller dabei waren gut 300 Seiten nachweislich gelöschter Informationen. Bei Facebook löschen heißt also noch lange nicht löschen, sondern nur bestenfalls für andere nicht sichtbar machen – Facebook speichert weiterhin alles, und wertet weiterhin alles von jedem aus.

Der Nutzer wird unbemerkt zur Melkkuh eines neuen Rohstoffes – persönliche Daten. Die Konzerne werden dabei immer dreister. So werden mit Psychologie und geschickten Tricks immer mehr Informationen gesammelt. Mit Augenzwinkern erklärt Schrems wie unser Verlangen nach Aufmerksamkeit, Teilhabe und Zuneigung von Konzernen geschickt instrumentalisiert wird um uns zu durchleuchten. Wer »geliked« werden will, muss seine Daten teilen. Wer nicht mitmachen will, findet sich im Dickicht der Privatsphäreeinstellungen wieder - und die wurden dafür gemacht, eigentlich nie verwendet zu werden. Die Klauseln von Facebook beispielsweise nennt Schrems »eine totale Blankozustimmung«.

Von »Sozialer Informationswirtschaft« bis zum »Datenschutz-Guerilla«

Und so plädiert er dafür, dass die Nutzer sich wehren. Allerdings nicht unbedingt mit Gerichtsklagen gegen die Datenkraken wie Facebook oder Google und Co. sondern eher durch eine Art neue »Soziale Informationswirtschaft«. Denn der Ausweg ist weder die Verteufelung der Technologie, noch ein Leben als Einsiedler. Schrems spricht sich vielmehr für die digitale Umverteilung aus. Das Informations- und Machtgefälle zwischen Nutzern und Unternehmen müsse durch sinnvolle Regulierungen und technische Mittel ausgeglichen werden. Nutzer müssten wieder die Macht über Ihre Informationen erhalten, ohne dabei innovative Entwicklungen zu hemmen. Auf dem Weg dorthin gibt es viele kleine Schritte, wie die Bewusstseinsbildung, »Datenschutz-Guerilla«, Privacy-by-Design oder das Aufbrechen von Monopolen.

Da hört sich zwar manches relativ naiv an in dem Buch. Aber – 99,99 Prozent der Internet-/Facebook-/Google-/Apple-/Microsoft-Nutzer sind eben selber naiv. Und ihnen muss man eben auf Augenhöhe begegnen. Das Bewusstsein für die eigenen persönlichen Daten zu schärfen – es zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Schrems Anliegen kommt sicherlich die Edward-Snowden-Affäre zu Hilfe, denn nunmehr wird immer mehr Anwendern bewusst, dass nicht nur unternehmerische Datenkraken unterwegs sind, sondern auch geheimdienstliche. Für die NSA, meint Schrems, ist Facebook damit lediglich ein »Partner«, dem man eine Funktion namens »Prism« bereitgestellt hat. Die Facebook-Bestimmungen würden jedenfalls die massenhafte Weitergabe der Daten an Partner zulassen – und wir alle haben diesen AGBs zugestimmt.

Buch sollte Pflichtlektüre für Lehrer werden

Auf politischer Ebene muss ein einheitliches europäisches Datenschutzniveau geschaffen werden, damit sich die Internetkonzerne nicht das schwächste Glied in der Kette aussuchen können, also zum Beispiel Irland oder England, schreibt Schrems. Die bestehenden Gesetze müssen geschärft und flächendeckend durchgesetzt werden. Zudem müsse es ernsthafte Strafen bei Vergehen geben. Nur so könnte der »Kampf um unsere Daten« langfristig gewonnen werden.

Zum Augen öffnen hilft hier ganz klar das Buch. Nur leider wird es vermutlich von der naiven Klientel, die bedenkenlos ein Häkchen in hinter jedwede AGB-Klauseln setzt, kaum gelesen – man hat ja nicht das Bedürfnis, um seine Daten zu kämpfen. Ich würde mir deshalb wünschen, dass es jeder Lehrer liest, der über Computer, Informatik oder neue Medien unterrichtet. Denn Lehrer haben laut vielen Statistiken immer noch selbst Probleme mit sozialen Netzwerken oder den neuen Medien. Für sie dürfte es der richtige Augenöffner sein – und danach lässt sich vieles im Unterricht verständnisvoller rüberbringen.

Mit Facebook-getönten Grüßen
Engelbert Hörmannsdorfer

(Sie sind anderer Meinung? Dann diskutieren Sie unten unter »Kommentar schreiben« mit. Ist ja schließlich ein Blog....)

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