Endlich(e) Freiheit: Geschäftsreisen in Corona-Zeiten
Soll ich, oder soll ich nicht? Geschäftsreisen stehen auf dem Prüfstand, und zwar sehr subjektiv. speicherguide.de hat es gewagt: Michael Baumann war mit europäischen Kollegen im Rahmen der »IT Press Tour« in San Francisco und im Silicon Valley unterwegs. Neben meist interessanten Gesprächen mit Anbietern, zwischen 30-Jahre-Tradition unter dem Radar versus 1-Milliarden-Dollar Start-up kurz vor der Weltherrschaft, zwischen Jet- und Temperatur-Lag, das Reisen in Corona-Zeiten birgt einige Komplexitäten und allerlei Skurrilitäten. Eine Erkenntnis vorweg: »Nö, ham wa nich« in Berlin heisst im Amerikanischen »How can I help you, sir?«.
Zwei Jahre fand die Veranstaltung »IT Press Tour« nicht statt. Die Version 2021 musste seit zwölf Monaten verschoben werden, inklusive Flugticket- und Hotel-Umbuchungen. Im Januar 2022 war es dann endlich soweit. Wer dieser Tage und Wochen einen Event plant und organisiert, braucht starke Nerven, nehmen wir an. Und das lag nicht (nur) an den zwölf Journalisten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande und Polen, die in diesem Falle teilnahmen. Für Presse-Verhältnisse schon fast eine Großveranstaltung. Ein kurzer Reisebericht…
Um unserer Chronistenpflicht gerecht zu werden, eine kurze Auflistung der von uns besuchten Unternehmen:
- Atempo: Der Backup- und Recovery-Spezialist ist 30 Jahre am Markt und bewegt sich allgemeiner in Richtung Daten-Management (speicherguide.de berichtete).
- DDN: Bekannt für unstrukturierte Daten und Big Data, steht nun AI-Storage (künstliche Intelligenz) mit im Fokus.
- Hammerspace: Mit globalem File-System, Daten-Orchestrierung und Meta-Daten-Kontrolle zu einem globalen Storage-Dienst.
- Iodyne: NVMe-Flash-Appliance für professionelle MAC-Ästheten (speicherguide.de berichtete).
- Kalista: Junges Start-up, das mit Host-Managed Shingled Magnetic Recording die Speicherwelt revolutionieren möchte.
- Komprise: Automatisiert das Tiering von »hot data« On-Premises und »cold data« in der Cloud inklusive Daten-Analyse.
- MinIO: Das Start-up soll nach 100 Millionen-Invest jetzt eine Milliarden US-Dollar wert sein und behandelt sämtlichen Speicher als Objekt (speicherguide.de berichtete).
- Nebulon: Das Unternehmen unterstützt mit einer Storage-Prozessor-Karte für den Einbau in Standard-Servern Kunden dabei, Daten und Workloads aus der Cloud zurück zu On-Premises zu bringen
- Tiger Technology: Auch das Start-up aus Bulgarien vertritt die On-Premises-Fraktion mit einer Software für hybride Umgebungen und dem Credo »On-Prem first«.
So seh'n Journalisten aus: Gruppenbild ohne Dame (Foto: Serge Leblal)Nicht unerwähnt soll filebase bleiben: Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Orchestrierung von Objekten und der Steuerung von Block-Chains in heterogenen Umgebungen. Auf Grund der Corona-Umstände verzichtete Filebase auf eigene Anreise und Face-to-Face-Meetings. Auch diese Haltung muss natürlich respektiert und akzeptiert werden.
Die IT Press Tour geht los
Nein, nein, los geht es noch lange nicht. Die Einreise in die USA war immer etwas komplexer als der Wochenendausflug nach Österreich. So stelle ich mit Erschrecken fest, dass das ESTA-Formular für Privatreisende binnen weniger Jahre von zwei auf acht Seiten angewachsen ist. Für mich aber nicht relevant. Vollständige Impfung inklusive Booster und ein nicht älter als 24 Stunden Antigen-Test sind ohnehin Voraussetzung. Dazu ein weiteres achtseitiges Einreisedokument mit Informationen zu Aufenthalt und Gesundheitsaspekten.
Reisen in Coronazeiten: Skurrilitäten inklusive (Foto: Serge Leblal)Das bereitet in der Vorbereitung inklusive Uploads keine Probleme, sofern Server und Netzwerke funktionieren. Von unterwegs kann das schon problematischer werden. Ohne Computer-Skills erscheint mir Reisen jedoch völlig ausgeschlossen.
Unterwegs lieber zu früh
Als Arbeitender in der Digitalisierung schaffe ich die Vorbereitungen und kann in München völlig normal einchecken, ohne Papiere vorlegen zu müssen. Der Flughafen ist für einen Samstag normal gefüllt, leider auch der Flug. Wobei alle Passagiere getestet sind, das eigentliche Risiko liegt ja in der Anreise zum Flughafen. Beim Start trage ich bereits vier Stunden permanent Maske, es werden weitere zwölf hinzukommen. Es dauert natürlich alles etwas länger, deswegen lieber zu früh am Start, als in Stress geraten.
Neu bei der führenden deutschen Fluggesellschaft ist der angepasste Service, zumindest in der Economy Class. »Pasta or chicken?« entfällt, es gibt nur »ja oder nein« zu Pasta. Ich ordere Wasser und Wein. Die Stewardess fordert mich geradezu auf, auch Kaffee dazu zu nehmen. Da ich keinen Platz mehr habe, meine ich, den nehme ich später. Falsch gedacht: Wegen Corona würde sie erst in acht Stunden wieder durchgehen, außer im Notfall.
Ankommen besser nicht zu spät
If I am going to...Willkommen in der Menschenleere am SFO. (Foto: speicherguide.de)Mein Flug hat 90 Minuten Verspätung, es ist 21:30 Uhr Ortszeit San Francisco. Daher vollzieht sich die Immigration recht schnell. Es scheint am SFO alles geschlossen, auch in den Straßen auf dem Weg ins Hotel. Auch dort herrscht selige Ruhe wie um 4:00 Uhr morgens.
Beim Frühstück treffe ich die ersten Kollegen. Im Angebot sind »American mit Bacon« und »American mit Würstchen«. Dazu kredenzt wird eine Scheibe Toast. Ich möchte Toast nachbestellen. Die Service-Kraft erklärt mir, das sei Corona-bedingt nicht möglich. Eine Person, ein Teller. Ich muss etwas lachen, aber gut. Der Tisch bleibt garniert mit allerlei aus Butter, Honig, Marmelade und Nusscreme. Vermutlich unberührt seit zwei Jahren. Es wird mein einziges Hotel-Frühstück bleiben.
Corona-bedingt gibt es auch keinen Zimmer-Service. Eine Reinigung muss extra angemeldet werden. Nun komme ich einige Tage ohne Zimmerreinigung aus, ich wollte hauptsächlich einen Re-Fill für die Kaffee-Maschine im Zimmer. Der Service erledigt alles vorbildlich, nur der Re-Fill fehlt.
Schwund unübersehbar
Jeder Tag beginnt mit einem Meeting um 8:00 Uhr mit Gruppenanfahrt maskierter Männer in zwei schwarzen VANs. Das hat etwas von CIA und FBI. Angekommen bei den Firmen gibt es ohnehin immer etwas Frühstück-artiges. Und ich stecke mir unauffällig Päckchen mit Aufguss-Getränken in die Sakko-Tasche, denn ich möchte nicht verantwortlich sein, dass das Zimmermädchen wie offenbar viele ihrer KollegInnen ihren Job verliert.
Die Hotels und Restaurants leiden spürbar unter der Krise, und noch mehr das offensichtlich nicht mehr vorhandene Personal. Die Hotel-Bar öffnet um 17:00 Uhr. Wenn wir gegen Acht vom Dinner zurückkehren, ist sie meist schon wieder geschlossen. Kein Kundschaft.
Die Dinner werden gesponsored. Die Handhabung von Abstand und Hygiene-Bestimmungen ist theoretisch und praktisch dieselbe, wie in Deutschland. Geprüft auf Impfung oder Testung, wie das bei uns verpflichtend ist, werden wir allerdings nie.
Vorsichtig voran
Maske 2.0 mit externer Sauerstoff-Pumpe (Foto: speicherguide.de)Die Meetings am Tag verlaufen unterschiedlich professionell und luxuriös. Einige der Firmen haben ihre Büro-Räume komplett aufgegeben und arbeiten ausschließlich digital vernetzt. Andere hatten nie welche und sehen auch keine Notwendigkeit für größere Repräsentanzen. Um ehrlich zu sein, mir als Journalist gefällt das. Solange die funktionalen Dinge stimmen.
Insgesamt freuen sich beide Seiten: Journalisten über einen vollen Plan mit interessanten Direkt-Kontakten. Vor Wochen hätte ich es noch abgelehnt, zu reisen. Ich persönlich habe keine Probleme mit Online-Meetings und -Konferenzen, muss jetzt aber doch feststellen und zugeben, dass der Direktkontakt anders ist. Besser, um Unternehmen zu verstehen. Auch die Hersteller freuen sich, sind teilweise sogar dankbar, dass man den Weg auf sich genommen hat.
Chaotisch zurück
Zwei Tage vor Rückflug beginnt sich in der Gruppe etwas Unruhe breit zu machen. Hauptsächlich geht es um die Testpflicht für die Rückreise. Ein Brite fliegt direkt nach London mit amerikanischer Gesellschaft und benötigt keinen aktuellen Test. Seine Kollegen mit britischer Gesellschaft hoffen das für sich auch, sind sich bis zum Check-In aber nicht ganz sicher. Franzosen und Deutsche benötigen einen 48-Stunden Antigen-Test bei Abflug, andere einen 24-Stunden-Antigen-Test bei Ankunft nicht beim Umstieg, sondern zum Zeitpunkt der Landung am Zielflughafen.
Test-Drive-In in Sunnyvale, Kalifornien (Foto: speicherguide.de)Ein erster Besuch am »Impfzentrum« auf dem schmucklosen Parkplatz eines Bürogebäudes verläuft zunächst ergebnislos. Von den studentischen Hilfskräften bringen wir in Erfahrung, dass ein Termin vereinbart werden muss, dafür aber eine US-Mobilnummer notwendig ist. In unserem Falle heißt das, der Organisator erhält per SMS diverse Codes, die Bestätigungs-E-Mails landen aber bei den Teilnehmern.
So müssen wir am nächsten Tag nochmals vorstellig werden, nachdem wir die Codes zugeordnet und uns registriert haben. Wieder gähnende Leere am Test-Zentrum. Ein Antigen-Test kostet etwa 120 US-Dollar. Soweit geht alles gut, nur bei einem Kollegen funktioniert die Registrierung nicht korrekt, er wird nicht eingecheckt und muss am Flughafen einen Schnell-PCR-Test durchführen. Kosten 275 US-Dollar und viel Nerven.
Die Fluggesellschaft verlangt beim Check-In trotz vorherigen Uploads erstmals auf der Reise am Schalter den Nachweis eines Dokumentes. Eine Einreiseanmeldung, die den Gesundheitsbehörden in Deutschland zugeht und die man nach Ankunft nochmals validieren muss. Online dann. Nach nahezu Personal-losem biometrischem Check beim Einstieg, hat sich also die ganze Datenerfassung doch irgendwo gelohnt, geht es los.
Letzte Schritte, auch die ersten?
Vielflieger - wo sind sie geblieben? (Foto: speicherguide.de)Nach dem Security-Check ist am Flughafen wieder Leere angesagt. Die Economy ist nur halb besetzt, und in meiner Reihe sind alle zehn Sitzplätze frei, bevor ich mich dort niederlasse. Die Stewardess kommt wieder nur zwei Mal vorbei. Genug Zeit, um darüber nachzudenken, warum die Rückflüge immer leerer sind als die Hinflüge. Was passiert mit den Leuten? Setzen sie sich ab? Sind ausgewandert? Wurden sie positiv getestet?
Zurück also aus 18 Grad Celsius mit Lunch im Freien in den deutschen Winter. Reisen: Ist dies das neue Normal? Oder war es ein erster Schritt zurück zur alten Normalität? Ich weiß es nicht. Aus der Anfangsfrage »Soll ich, oder soll ich nicht?« wird die Frage »Werde ich, oder werde ich nicht?« mit Blick auf die nächsten Monate. Also in Zeiten von Corona freiwillig auf Geschäftsreise gehen? Ich tendiere zu – naja, das ist auch egal.
Wie ist es bei Ihnen, gehen Sie schon wieder auf Geschäftsreise? Dürfen Sie überhaupt? Schreiben Sie uns gerne ins Kommentarfeld.