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EuGH-Maulkorb für Google: Internet darf doch vergessen

Daten Löschen ja – aber kann man Unternehmen glauben? (Quelle/Grafik: Iron Mountain)
Daten Löschen ja – aber kann man Unternehmen glauben? (Quelle/Grafik: Iron Mountain)
Löschen – eine Disziplin, mit der sich vor allem Administratoren von Unternehmens-Rechenzentren rumplagten. Doch nun müssen sich auch Suchmaschinenbetreiber wie Google & Co intensiver damit befassen. Hier heißt die Disziplin »Recht auf vergessen«, das Internet darf nicht mehr alles über jeden beliebig lange aufheben. So ein überraschender Urteilsspruch am Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Was wurde am EuGH entschieden? Anwender sollen künftig die Möglichkeit haben, in bestimmten Fällen eine Löschung von Ergebnissen zu ihrer Person aus dem Index der Suchmaschinen zu erwirken. Im vorliegenden Fall sollte Google in seinen Suchergebnissen den Link zum Online-Archiv einer Zeitung löschen, in der Ende der 90er Jahre über eine Zwangsversteigerung berichtet wurde. Der Kläger wollte verhindern, dass bei der Suche nach seinem Namen dieser Link auftaucht. Die Löschung im Online-Archiv wurde von dem Betreiber der Webseite mit Verweis auf die Pressefreiheit erfolgreich abgelehnt.

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»Vergessen« muss der Index des Suchmaschinenbetreibers

Heißt also: Der eigentliche Online-Artikel ist und bleibt auch weiterhin online – er kann nur nun nicht mehr so einfach gefunden werden. Überraschend ist der Urteilsspruch vor allem dahingehend, da es ein Gutachten des Generalanwalts Niilo Jääskinen gibt, der im Juni 2013 noch erklärt hatte, dass die EU-Datenschutzrichtlinie kein »Recht, vergessen zu werden« enthalten würde. Das sahen die EuGH-Richter nun anders. Nun gibt es ein »Recht auf Vergessenwerden«. Es muss allerdings in der Rechtssprechung noch von den Gerichten auf Bundes- und Landesebene umgesetzt werden.

»Der Vorschlag zu EU-Datenschutzreform«, urteilt Hans-Günter Börgmann, Geschäftsführer vom Datenschutz-Spezialisten Iron Mountain Deutschland, »ist ein erster wichtiger Schritt, um Verbraucher besser zu schützen.« Iron Mountain veröffentlichte erst kürzlich eine Studie, wonach deutsche Verbraucher anzweifeln, ob das viel diskutierte »Recht auf Vergessen« in der Praxis funktioniert. Dieses soll zwar nun mit der EU-Datenschutzreform verankert werden und sicherstellen, dass personenbezogene, digitale Daten nicht dauerhaft gespeichert werden. Die europaweite Studie fand allerdings heraus, dass 80 Prozent der deutschen Befragten glauben, ohnehin mit so vielen Organisationen zu tun zu haben, dass sie nicht mehr wissen, wer gerade welche Informationen über sie gespeichert hat.

Bitkom erwartet »mehr Rechtsunsicherheit«

Etwas konträrer sieht das EuGH-Urteil der Hightech-Verband Bitkom. »Das Urteil führt zu mehr Rechtsunsicherheit. Einerseits soll weiterhin die Presse- und Meinungsfreiheit gelten, auch das Recht auf Informationsfreiheit wird groß geschrieben. Andererseits werden diese grundlegenden Prinzipien eines freiheitlichen Internet nunmehr durch den EuGH eingeschränkt, indem bestimmte Informationen von Suchmaschinen nicht mehr angezeigt werden dürfen«, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. »Das Urteil erzeugt eine inkonsistente und widersprüchliche Rechtslage.«

»Das höchste europäische Gericht hat festgestellt, dass sich Google nicht auf US-amerikanisches Recht zurückziehen kann und nationale, europäische Normen beachten muss«, begrüßt Medienanwalt Christian Solmecke das Urteil. »In der Tat war zunächst nicht klar, ob sich die amerikanische Suchmaschine Google mit der Begründung aus der Affäre ziehen kann, dass der rein technische Vorgang der Datenverarbeitung im US-amerikanischen Mutterkonzern stattfindet.«

Wie werden Google & Co das umsetzen?

Spannend wird es jetzt, wie Google und andere Suchmaschinenbetreiber entsprechende Löschanfragen bearbeiten wollen. Denn die Daten sind typischerweise auf etlichen Servern mehrfach abgespeichert. Außerdem müssen die Suchmaschinenbetreiber auch gewährleisten, dass entsprechende Artikel nicht versehentlich wieder in den Index gelangen.

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