IDC: SDN-Akzeptanz in deutschen Unternehmen noch rückständig
Während viele Storage-Services bereits in einer Private- oder Public-Cloud verwaltet und Kapazitäten in ihnen genutzt werden, unterschätzen offenbar viele Unternehmen in Deutschland Netzwerk-Architekturen und das Netzwerk-Management. Das ergab die aktuelle Studie »Network Transformation in Deutschland 2021« von IDC Deutschland.
Die Studie basiert auf der Befragung von 158 deutschen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, mindestens fünf WAN-Verbindungen und kritischen Verbindungen in Public-Clouds. Sie wurde im Januar 2021 durchgeführt.
Security und Compliance im Fokus
Internet-of-Things (IoT), Edge-Computing oder Multi-Cloud verändern nicht nur das Daten- und Speichermanagement, sondern erhöhen aktuelle und zukünftige Anforderungen an Netzwerk-Performance und -Funktionalität. Gemäß der Marktforscher sind deutsche Unternehmen für diese nicht gewappnet. Viele würden die Relevanz programmierbarer, automatisierbarer und performanter Netzwerke, kurz definiert Software-defined Networking (SDN), im Rahmen der Digitalisierung schlichtweg unterschätzen.
Sicherheit und Compliance bereiten deutschen Unternehmen Sorgen im Netzwerkbereich (Quelle IDC).
Dennoch zeichne sich eine gewisse Dynamik ab. Netzwerk-Verantwortliche und ihre Teams sind stark gefordert: Der Bedarf nach Netzwerkmodernisierung wird hierzulande vor allem durch das Thema Security getrieben. Immerhin setzt aber bereits ein Fünftel auf SDN, um Anwendungsbetrieb, Sicherheit und Compliance sowie die Kosten zu optimieren. In den kommenden 24 Monaten wollen 64 Prozent der Organisationen über moderne, smarte Netzwerkarchitekturen verfügen. Allerdings, so die Marktforscher, dominiere die Corona-Pandemie aktuell die Entscheidungen und Aktivitäten vieler Unternehmen und verändere die Priorisierungen von Plänen, Technologieadaptionen und Investitionen maßgeblich. Verbesserte Sicherheit bleibe aber zentrales Interesse.
Reiner Kostenfaktor oder Innovations-Enabler?
Während knapp die Hälfte der befragten Unternehmen das eigene Netzwerk als reine Kostenstelle verbucht und es rein auf Konnektivität reduziert, schreiben ihm die anderen 50 Prozent der Firmen einen transformierenden Charakter zu: hier wird das Netzwerk als elementare Plattform für Innovationen und Business gesehen.
Marco Becker, IDC Rund ein Viertel der Firmen modernisiert seine Netzwerke aktuell, ein weiteres Drittel hat das bereits im letzten Jahr erledigt. »Dennoch sind Netzwerke, Netzwerk-Architekturen und das Netzwerk-Management in deutschen Unternehmen in einem bedenklichen Zustand und vielerorts weder den aktuellen noch den zukünftigen Anforderungen an Netzwerk-Performance und -Funktionalität gewachsen«, sagt Marco Becker, Senior Consultant und Projektleiter bei IDC. »Veraltete Hardware, nicht mehr zeitgemäße Architekturen, intransparente Netzwerke und mangelnde Managementfunktionen sind die Bottlenecks in vielen Organisationen – auch in puncto Security, das zeigt die Studie ganz klar auf.«
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Sicherheit und Automatisierung treiben Netzwerkmodernisierung
Das Dauerthema Sicherheit ist aus Sicht der Befragten gleichzeitig der größte Treiber für Netzwerkmodernisierungen. Aber auch das Netzwerkmanagement und dessen Automatisierung sorgen für Dynamik: Die Komplexität und die schiere Menge an Daten und Devices ist mit manuellen Ansätzen nur noch schwer beherrschbar und gleichzeitig stellt das manuelle Vorgehen wiederum ein Sicherheitsrisiko dar. Viele Probleme sind also hausgemacht.
Ein Grund dafür ist laut IDC, dass mehr als die Hälfte der Netzwerke hierzulande gewachsene Landschaften sind, die nur nach dem Best-Effort-Prinzip funktionsfähig gehalten werden oder zumindest Connectivity-Driven sind. Letztere sorgen immerhin für eine optimale End-to-End-Konnektivität, ohne dabei allerdings viel Wert auf die Qualität der Konnektivität zu legen. Die andere Hälfte verfolgt modernere Architekturansätze wie Software-definiertes, Service-driven oder Intent-based Networking, um über die Konnektivität hinaus von Programmierbarkeit, Automatisierung und Intelligenz der Netzwerke profitieren zu können.
SDN und proaktives Netzwerkmanagement
Je nach Netzwerkbereich gibt zirka ein Fünftel der Befragten an, in ihrem Unternehmen umfassend SDN umgesetzt zu haben. Kostenoptimierungen (28 Prozent), der bessere Anwendungsbetrieb (27 Prozent) sowie Verbesserungen für Sicherheit und Compliance (25 Prozent) wurden dabei als Hauptgründe genannt.
55 Prozent der Unternehmensnetzwerke werden allerdings noch sehr klassisch gemanagt, das heißt Fehler und Probleme werden erst rückwirkend oder in dem Moment, in dem sie gerade auftreten, behoben. Ein proaktives oder prädiktives Vorgehen findet bislang nur in gut einem Drittel der Unternehmen statt. So geben rund drei Viertel der Befragten geben an, dass Management-Tasks kaum noch oder nur mit hohem Aufwand zu bewältigen sind. 24 Prozent erwarten von SDN eine Lösung dieser Probleme, durch mehr Transparenz, Überblick und Performance.
Am wichtigsten für die Netzwerkt-Tansformation erachten die Befragten daher auch SDN und Netzwerk-Virtualisierung in verschiedenen Facetten: von grundsätzlicher SDN-Architektur, über Network Functions Virtualization (NFV), bis hin zu SD-WAN und SD-Branch für die Standort- und Zweigstellenvernetzung. Hinzu kommen die neuen kabellosen Vernetzungstechnologien wie 5G und WiFi-6, die sich ebenfalls sehr gut mit SDN und NFV kombinieren lassen.
Top-10-Technologiebereiche für Netzwerk-Modernisierung und -Transformation (Quelle: IDC)
Schwachstelle Performance-Management
Problematisch sei auch der Umgang mit dem Netzwerk-Performance-Management, das in 53 Prozent der befragten Unternehmen nur auf einzelne Devices und alarmbasierte Mindeststandards beschränkt ist. Obwohl eine gute Netzwerk-Performance das Ziel des Netzwerkbetriebs ist, wird seiner Ermittlung also nur in einer knappen Hälfte der Betriebe eine höhere Bedeutung beigemessen: Immerhin 29 Prozent haben ein netzwerkübergreifendes, zentralisiertes Reporting etabliert, weitere 14 Prozent haben sich mit Automatisierung, Künstlicher Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) auch schon an vorausschauendes Performance-Management herangewagt.
Immerhin, so die Studie, zeigen die Befragten hohe Ambitionen, ihre Netzwerkarchitekturen auf einen modernen Stand zu bringen und mit mehr Intelligenz auszustatten. Während aktuell noch mehr als die Hälfte der Netzwerke relativ rudimentär aufgebaut sind, manuell gemanagt werden und sich mehr oder weniger auf reine Konnektivität beschränken, soll der Anteil an Unternehmen mit fortschrittlichen Netzwerken innerhalb der nächsten zwei Jahre von 44 auf 64 Prozent steigen.
IDC resümiert, dass Digitalisierungs-Technologien wie Big Data, Hybrid- und Multi-Cloud, IoT und Edge Computing bei vielen Unternehmen auf der Agenda stehen, doch vielen ist (noch) nicht bewusst, welch tragende Rolle programmierbare, automatisierbare und performante Netzwerke für diese Technologien haben.
Dirk Grafe, ALE»Es darf niemanden wundern, dass Cyber-Kriminelle die aktuelle Situation zu ihrem Vorteil nutzen wollen. Denn gerade der Mittelstand verfügt über wertvolles geistiges Eigentum – für Kriminelle ein lohnenswertes Ziel. Malware, Phishing-Mails und Ransom-Attacken sind dabei nur eine kleine Auswahl aus deren umfangreichem Werkzeugkasten.«
Uwe Müller, Cisco»IT-Infrastrukturen sind also durch Arbeiten von zuhause mehr gefordert, die Anforderungen an die IT gestiegen, denn Applikationen müssen jederzeit von überall zur Verfügung stehen und Services müssen, egal wo sie sich befinden – ob in der Cloud oder im Rechenzentrum –, von überall gemanagt werden.«
Sonja Berghman, Damovo»Es ist an der Zeit, sich von den traditionellen, fehleranfälligen Netzwerken zu verabschieden und IT-Teams, die ständig mit Problembehebungen beschäftigt sind, zu entlasten. 'Daten sind das neue Gold.' Es sind tatsächlich die Daten, welche das neue Netzwerk intelligent und programmierbar machen.«
Andreas Riepen, Riverbed»Unternehmen müssen Probleme bei der Netzwerk- und Anwendungsperformance sehr ernst nehmen. Die Mitarbeiter im Home-Office müssen genauso produktiv sein können wie im Büro. Nur so erhält ein Unternehmen seine Geschäftsfähigkeit aufrecht, bleibt wettbewerbsfähig und stellt die Kunden zufrieden.«