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Plattenspieler-Molekül könnte Hard-Disk revolutionieren

Die Festplatte – immer wenn Kritiker der Meinung sind, nun lässt sich kaum noch mehr darauf speichern, gibt es interessante technologische Entwicklungen, die zu neuen Kapazitätssprüngen verhelfen. Nun dringt wieder ein Forschungsergebnis von einer deutschen Uni an die Öffentlichkeit, das der Festplatte möglicherweise erneut einen Kapazitätsschritt nach vorne bringt.

Vor etlichen Jahren verhalf die brandneue GMR-Schreib-Lese-Kopf-Technologie (Giant Magneto Resistance) der Festplatte zu neuen Kapazitätshöhen. GMR wurde am Forschungszentrum Jülich entwickelt; der Jülicher Forscher Prof. Peter Grünberg erhielt 2007 sogar den Nobel-Preis. Auch die Technologie des »Perpendicular Recording«, also senkrechte Anordnung der magnetischen Partikel auf einer Festplattenoberfläche, verhalfen der Festplatte zu einem entscheidenden Kapazitätssprung – und auch bei dieser Technologie hatten deutsche Forscher ihre Hände mit im Spiel.

Beitrag vor wenigen Tagen in der Zeitschrift »Science«

Ein vergrößertes Modell des von Kieler Forschern entwickelten molekularen Schalters auf einem alten Grammofon. (Bild: CAU; Rainer Herges/Torsten Winkler)
Ein vergrößertes Modell des von Kieler Forschern entwickelten molekularen Schalters auf einem alten Grammofon. (Bild: CAU; Rainer Herges/Torsten Winkler)
Jetzt ist es einer Kieler Forschergruppe um den Chemiker Professor Rainer Herges erstmals gelungen, den magnetischen Zustand eines einzelnen Moleküls bei Raumtemperatur gezielt zu steuern. Die Arbeit erschien vor wenigen Tagen unter dem Titel »Magnetic Bistability of Molecules in homogenous solution at Room Temperature« in der Zeitschrift »Science«. Das schaltbare Molekül – Ergebnis eines Teilprojekts des Sonderforschungsbereichs 677 »Funktion durch Schalten« – könnte beim Bau winziger elektromagnetischer Speicher ebenso zum Einsatz kommen wie in der Medizin.

Die Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) entwickelten eine molekulare Maschine, die ähnlich wie ein Plattenspieler aufgebaut ist. Das Molekül besteht aus einem Nickel-Ion, das von einem Ring aus Farbstoff (Porphyrin) umgeben ist, und einem Stickstoff-Atom, das wie an einem Tonarm darüber schwebt.

Magnetpartikel auf Festplattenoberfläche könnten erneut kleiner werden

Professor Rainer Herges (links) und Marcel Dommaschk bestrahlen eine Lösung des molekularen Magnetschalters mit blaugrünem und blauviolettem Licht. (Bild: CAU; Torsten Winkler)
Professor Rainer Herges (links) und Marcel Dommaschk bestrahlen eine Lösung des molekularen Magnetschalters mit blaugrünem und blauviolettem Licht. (Bild: CAU; Torsten Winkler)
»Wenn wir dieses Molekül mit blaugrünem Licht bestrahlen, wird das Stickstoffatom wie eine Nadel exakt senkrecht auf dem Nickel-Ion platziert«, erklärt Herges. »Dadurch wird das Nickel-Ion magnetisch, weil die Paarung zweier Elektronen aufgehoben ist. Den entgegen gesetzten Effekt hat blau-violettes Licht: Das Stickstoffatom wird wieder angehoben, die Elektronen finden sich zu einem Paar zusammen und das Nickel-Ion ist dadurch nicht mehr magnetisch. »Dieses Schalten des Magnetzustandes können wir durch abwechselndes Bestrahlen mit den beiden unterschiedlich langen Lichtwellen mehr als 10.000-mal wiederholen, ohne dass die molekulare Maschine ermüdet oder Nebenreaktionen eintreten«, freut sich Herges.

Der entdeckte Schalter mit einem Durchmesser von nur 1,2 Nanometern könnte als winziger magnetischer Speicher in der molekularen Elektronik verwendet werden. Vor allem die Hersteller von Festplatten dürften daran interessiert sein, denn durch Verkleinern der Magnetpartikel auf der Oberfläche der Platten lässt sich eine höhere Speicherkapazität erreichen.

Auch Einsatz in der Medizin als Kontrastmittel möglich

Das Plattenspieler-Molekül im Modell. Die Pfeile symbolisieren den magnetischen Zustand im Nickelion, der sich durch Kontakt mit dem Stickstoffatom am »Tonarm« gezielt schalten lässt. (Grafik: CAU; Rainer Herges)
Das Plattenspieler-Molekül im Modell. Die Pfeile symbolisieren den magnetischen Zustand im Nickelion, der sich durch Kontakt mit dem Stickstoffatom am »Tonarm« gezielt schalten lässt. (Grafik: CAU; Rainer Herges)
Auch in der Medizin hält Professor Herges den Einsatz des magnetischen Schalters für denkbar: »Das Plattenspieler-Molekül kann intravenös als Kontrastmittel in der Kernspintomografie (MRT) verwendet werden, um nach Tumoren oder Engstellen in Blutgefäßen zu suchen. Erste Tests in der Neuroradiologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein waren erfolgreich.« Da durch das Schalten das Signal-Rausch-Verhältnis verbessert wird, kommt man mit weniger Kontrastmittel aus als bei den bisher verwendeten magnetischen Salzen.

Zudem, bemerkt Herges, könnte die molekulare Maschine als Basis für die Entwicklung neuartiger Kontrastmittel dienen, etwa um die Temperatur, den pH-Wert oder sogar bestimmte biochemische Marker im Körper dreidimensional darzustellen. »Mit solchen Kontrastmitteln«, prognostiziert Herges, »könnte man Entzündungsherde lokalisieren, Tumore aufspüren und viele Stoffwechselvorgänge visualisieren.«

Uni Kiel ist stark bei Nanowissenschaften

Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat als Forschungsuniversität im Norden Deutschlands eine ausgewiesene internationale Expertise in den Nanowissenschaften, zum Beispiel im Sonderforschungsbereich 677 »Funktion durch Schalten« der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In der aktuellen Runde der Exzellenzinitiative bewirbt sich die CAU zudem mit einem Nano-Exzellenzcluster.

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