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Seagate erfindet sich ständig neu

Fast auf den Tag genau 19 Jahre beim Festplattenmarktführer, und seit wenigen Monaten in einer neuen Position im Unternehmen: Bernd Breinbauer – früher fürs OEM-Geschäft zuständig – ist jetzt das Gesicht nach außen bei der deutschen Niederlassung von Seagate Technology.
speicherguide.de Chefreporter Engelbert Hörmannsdorfer sprach mit dem neuen Director Central Europa über seine veränderte Rolle bei dem Festplattenhersteller, über Produkt- und Markttrends, wie er die Zukunft für Flash-Disks sieht, was er neu machen möchte – und wie lange er noch bei Seagate bleiben möchte.

von Engelbert Hörmannsdorfer

 Als Sie 1989 bei Seagate im OEM-Vertrieb anfingen – hatten Sie damit gerechnet, so lange dabei zu bleiben?
 Bernd Breinbauer  Bernd Breinbauer
Breinbauer: In der Tat: eigentlich nicht. Ich dachte, das wird ein Job für vielleicht zwei Jahre. Aber es war eine so spannende und dynamische Branche und Seagate erfuhr in dieser Zeit so viele Veränderungen, dass man immer wieder das Gefühl hatte, man arbeitet in einer neuen Firma.
 Ich selbst hatte damals in meiner Eigenschaft als seinerzeitiger »Markt & Technik«-Redakteur in einer Personalienmeldung geschrieben, dass Sie sich auf einen Schleudersitz begeben. Ihren Vorgänger hielt es dort nur vier Wochen….
Breinbauer: Der Artikel war damals sogar ein kleiner Ansporn für mich, es länger als vier Wochen auszuhalten. Es sind ja auch mittlerweile 19 Jahre draus geworden.
 Mit dem Weggang von Hans-Dieter Blaser und Ihrer Neubenennung wurden auch die Vertriebszuständigkeiten bei Seagate neu aufgeteilt – von Ziel-Märkten (Aufteilung in OEM und Channel) hin zu geografischen Vertriebsgebieten. Warum?
Breinbauer: Wir haben festgestellt, dass sich bestimmte Konzentrationen von Kunden in bestimmten Regionen herausbilden. Die IT-Industrie und die großen Storage-Systemhersteller bzw. Consumer-Electronik-Kunden sind fast nur noch in den USA und Asien beheimatet. In Deutschland haben wir als nennenswerte größere Mitspieler eigentlich nur noch zwei bis drei größere OEM-Kunden bzw. Integratoren (Anm.d.Red.: z.B. FSC). Anders sieht das beispielsweise im Automotive-Segment aus: Von den weltweiten Top 10 ist die eine Hälfte in Japan bzw. Asien angesiedelt, die andere Hälfte in Deutschland bzw. Europa. In der Consumer-Elektronik-Industrie gibt es ähnlich starke geografische Gewichtungen. Die bessere Fokussierung auf Absatzkanäle und die Ausrichtung auf neue Märkte bewog Seagate zur neuen Vertriebsgebiete-Aufteilung.
 Zuletzt waren Sie im Automotive-OEM-Segment tätig. Hilft Ihnen da die Aufteilung nach geografischen Vertriebsgebieten?
Breinbauer: Auf alle Fälle. Und vor allem ist es auch ein Beleg dafür, wie sich Seagate immer wieder selbst neu erfindet und man das Gefühl hat, bei einer neuen Firma zu arbeiten. Vor drei bis vier Jahren gab es ein großes Meeting, auf dem neue Märkte – neben der klassischen IT – definiert wurden. Es ging darum, wie diese Märkte anzugehen seien und welche Produkte dafür benötigt würden. Automotive war einer davon. Ich konnte mich hier von Anfang an sehr stark einbringen. Denn eines war klar: Diese Kunden denken vollkommen anders. Es bedurfte bei uns eines vollkommen neuen Alignment-Prozesses, und es musste eine vollkommen neue Produktarchitektur für diese Klientel entwickelt werden. Aber jetzt sind wir ganz gut unterwegs in diesem Segment.
 Was heißt hier »gut unterwegs«? An Stückzahlen kann man es noch nicht festmachen…
Breinbauer: Das stimmt. In den Vertrieb ging es erst nach der Produktentwicklung. Und die Automotive-Branche hat Qualifikationszyklen von 18 bis 24 Monaten – in der IT heute unvorstellbar. Aber derzeit sind viele Qualifikationsphasen am Ende angelangt. Deswegen denke ich, dass wir hier sehr gut unterwegs sind – und dass Sie demnächst öfters von uns etwas aus dem Automotive-Segment hören werden. Die extrem anderen Anforderungen dieses Bereichs waren auch mit ein Grund für die Neuaufteilung der Vertriebszuständigkeiten: Dieser Markt verlangt kein Standard-Produkt, keinen Standard-Verkäufer, und keinen Standard-Prozess.
 Gerade im Automotive-Bereich mit den hohen Anforderungen hört man allgemein, dass hier oft Flash-Speicher erste Wahl wären…
Breinbauer: Das ist schon richtig. Als wir diesen Bereich angingen, war hier der Hauptkonkurrent Flash. Deswegen musste unsere Festplatte so konzipiert werden, dass sie in allen technischen Eckpunkten mit der Robustheit der Flash-Disks konkurrieren kann. Heute können wir sagen, dass unsere Laufwerke für dieses Segment genauso zuverlässig sind wie eine Flash-Disk – aber man bekommt zum gleichen Preis rund fünf- bis siebenmal mehr Speicherplatz. Wir werden hier Flash aktiv Marktanteile wegnehmen.
 Apropos Flash. Der Seagate-CEO Bill Watkins hat in einem speicherguide.de-Interview vor knapp zwei Jahren schon mal laut darüber nachgedacht, dass Seagate eigentlich demnächst im Flash-Bereich aktiv werden müsste. Bislang ist aber noch nicht viel geschehen…
Breinbauer: Da hat sich in der Tat seither noch nicht so viel getan. Es liegt wohl daran, dass der Flash-Markt zwar stark wächst – aber dem Hard-Disk-Markt kaum Marktanteile abnimmt, insbesondere das Mehr an Kapazität zum gleichen Preis als Wertschöpfung betrachtet, scheint Flash vollkommen neue Märkte zu erobern, und beflügelt damit sogar das Hard-Disk-Wachstum.
 Wie darf man das verstehen?
Breinbauer: Nehmen wir den Consumer-Markt als Beispiel. Der stark anziehende Absatz von MP3- oder Video-Flash-Playern hatte zur Folge, dass Musik- oder Video-Studios zum generieren der Inhalte viele entsprechende Workstations mit Festplatten installiert haben. Zudem müssen diese Massen von Files auch zum Endkunden transportiert werden – das zieht, hohe Zwischenspeicheranforderungen bei den (Internet-)Service-Providern nach, die alle wiederum mit Festplattensystemen gelöst werden. Beim Endkunden landen die Files zunächst auf einem PC, oder sogar neuerdings auf einem Home-Storage-Server, bevor dieser sie auf den MP3-Player überspielt. Anders ausgedrückt: Mit jedem verkauften MP3-Player kommen wir im Hintergrund drei- bis viermal mit Festplatten ins Spiel.
 Also wird es wohl letztendlich von Seagate keinen MP3-Player geben?
Breinbauer: Das voraussichtlich nicht, aber trotzdem müssen wir uns den Consumer-Markt sehr genau anschauen, und auch hier präsent sein. Dieses Segment treibt derzeit den Festplattenmarkt. Das war auch mit ein Grund, warum wir seinerzeit Maxtor kauften. Die waren im Consumer-Bereich präsenter und hatten ein besseres Branding, während wir sehr stark im OEM-Sektor positioniert waren. Ein guter Brand im Consumer-Markt hilft im OEM-Markt enorm. Deswegen tun hier einige Konkurrenten ebenfalls so einiges im Consumer-Bereich.
 Sie spielen wohl auf Western Digital an?
Breinbauer: (lacht) Das haben jetzt Sie gesagt. Aber wenn man sich so manche Preisaktionen unserer Mitbewerber anschaut, muss man schon schlussfolgern, dass dieser Markt was Branding anbelangt sehr umkämpft ist.
 Aber ist es nicht eine teuer erkaufte Strategie? Denn wenn die Preise mal unten sind, lassen sie sich doch kaum hinterher wieder hochziehen?
Breinbauer: Es muss halt jeder abwägen, was man dafür für Preisstrukturen in Kauf nimmt. Wir sind eigentlich nicht bekannt dafür, der Billigste auf dem Markt zu sein. Ich denke, wir haben die weltweiten Preisstrukturen gut im Griff. Da haben wir in der Vergangenheit sehr viel gemacht. Das ist auch Teil meiner Aufgabe, das zu steuern. Dafür sind wir für den Kunden gut kalkulierbar, und das kommt gut an. Leider sind auf dem Markt immer noch viel zu viele Special-Deals unterwegs. Aber wenn jemand mit unstrukturierten Preisen auf den Markt geht, dann ist das für mich immer die Vorstufe für langfristig weniger Marge und der Lieferant verliert an Glaubwürdigkeit.
 Aber verlangen die unterschiedlichen Kundengruppen nicht unterschiedliche Preisstrategien?
Breinbauer: Natürlich will jeder den günstigsten Preis. Aber ich denke, jeder Kunde muss auch mal sein Bestellverhalten überdenken. Ein Beispiel: Letztes Jahr gab es im Spätsommer eine ungewöhnlich starke Allokation. Wir – und auch andere – konnten sogar mal Preise anheben. Und wie kam das? Die Consumer-Elektronik-Branche bestellte rechtzeitig große Mengen, um sich Lieferzusagen für das Jahresendgeschäft zu sichern. Die Folge war letztendlich: Kunden, die günstigere Preise haben wollten und späte Bestellvorgänge auslösten, mussten schließlich mehr bezahlen, und bekamen noch nicht mal die gewünschten Stückzahlen. Das ist jetzt auch eine meiner Aufgaben, ein neues Bewusstsein über diese unterschiedlichen Sourcing-Strategien auszulösen, damit jeder Kunde für die zweite Jahreshälfte genügend Ware erhält. Natürlich muss sich dann auch Seagate dazu verpflichten, die bestellten Stückzahlen exakt und rechtzeitig zu liefern.
 Seagate hat ja schon viele Firmen übernommen. Denken Sie, dass es noch zu weiteren Konsolidierungen kommen wird?
Breinbauer: Das ist – ganz ehrlich – eine meiner Lieblingsfragen. Ja, der Festplattenmarkt wird noch weiter konsolidieren. Wir haben mal bei Seagate recherchiert: Seit es Festplatten gibt, haben sich auf diesem Markt bislang 247 Firmen in irgendeiner Form mit der Herstellung damit beschäftigt. Und heute? Neben uns gibt es nur noch sechs nennenswerte Firmen. (Anm.d.Red.: Western Digital, Hitachi Global Storage Technologies, Fujitsu, Toshiba, Samsung und Excelstor.) Wenn man sich den Prozessor- oder Betriebssysteme-Markt anschaut – der hat sich auch auf nur noch zwei bis drei Marktakteure konsolidiert. Ich denke, das wird auch auf dem Festplattenmarkt früher oder später passieren. Aber nicht unbedingt von Seagate getrieben. Wir haben jetzt alle Technologien, und sind auf allen Märkten präsent.
 Andere fahren die Strategie, sich auf die Märkte der Zukunft zu fokussieren, wie beispielsweise Fujitsu mit 2,5 Zoll.
Breinbauer: Schwer zu sagen, was man davon halten soll. Meine Meinung: Wenn ich mich nur auf ein solches Gebiet konzentriere, dann sollte man dort eigentlich technologisch führend sein und richtig Geld verdienen. Aber trotzdem sehe ich Hersteller, die sich ausschließlich mit 2,5 Zoll befassen nicht zwingend technologisch führend. Wir sind und waren mit vielen Innovationen als erster auf dem Markt. Fakt ist halt, dass der 2,5-Zoll-Markt zwar stark wächst, aber doch nicht so stark, wie früher mal prognostiziert. Und vor allem: Er nimmt nach dem 3,5-Zoll-Segment nur die zweite Stelle ein. Der 3,5-Zoll-Peak hätte schon längst da sein sollen.
 Da Seagate ja jüngst den Vertrieb umgestellt hat – welche Rolle spielt jetzt der Fachhandel bei Ihnen?
Breinbauer: Seagate war schon immer stark auf den Channel fokussiert, und der Fachhandel wird mit den wachsenden Märkten sogar noch wichtiger für uns. Wenn ich in unsere letzten Zahlen so hineinschaue: Wir haben über den Channel 40 Prozent mehr Neukunden adressiert, während es im OEM-Bereich »nur« 20 Prozent mehr neue Kunden gab. Deswegen ist der Channel für uns beim Fokus »hin zum neuen Kunden« sehr sehr wichtig. Diese Partnerschaften habe ich mir in meiner neuen Position sehr stark auf den Hut geschrieben.
 Herr Breinbauer, Sie waren jetzt 19 Jahre bei Seagate – könnten es noch mal 19 Jahre werden?
Breinbauer: (lacht) Das sicherlich nicht. Aber wir haben ja kürzlich gemeldet, dass Seagate nach 29 Jahren des Bestehens die Grenze von einer Milliarde ausgelieferten Festplatten erreicht hat. Parallel wagten wir die Prognose, dass wir die nächste Milliarde Laufwerke vermutlich in den nächsten fünf Jahren ausliefern werden (speicherguide.de berichtete). Diese neue Milliardengrenze bzw. diese fünf Jahre möchte ich noch bei Seagate erleben. Denn wenn wir das wirklich machen, dann ist da so viel Dynamik drin und das Unternehmen erfindet sich ständig neu, dass mir mit Sicherheit nicht langweilig wird.

Zur Person: Bernd Breinbauer
Seit Anfang April 2008 ist Bernd Breinbauer als Director Central Europa bei der Münchner Niederlassung von Seagate Technology zuständig. Zudem steht er auch dem Büro in München vor. In dieser neuen Position verantwortet er den Vertrieb in Deutschland, Österreich, Schweiz und Liechtenstein. Zuvor leitete er die Automotive-Business-Development-Aktivitäten des Festplattenherstellers.
Bei Seagate startete er seine Karriere fast auf den Tag genau vor 19 Jahren als OEM Sales Manager. In diesem Zeitraum hatte er bei Seagate wechselnde Positionen, aber immer im OEM-Bereich. Zuletzt baute er das Automotive-Geschäft mit auf.
Obwohl es die Ernennung Breinbauers zum Leiter des Münchener Büros vermuten lässt, ist er nicht der direkte Nachfolger von Hans-Dieter Blaser. Dieser war jahrelang Chef des europäischen Channels (Sales-in und Sales-out), war aber nicht für den OEM-Bereich verantwortlich. In der neu geplanten Struktur war Blaser die Position des Chefs für das Sales-in-Team Europa zugedacht. Hier wäre er Jeff Loebakka, Senior Vice President und Managing Director, Sales and Marketing Operations für die EMEA-Region, gleichgestellt gewesen. Im Prinzip wurde Blaser durch einen seiner ehemaligen Leute, Andreas Bergstrom, ersetzt. Breinbauer berichtet jetzt an Loebakka.
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