60 Jahre Festplatte: Die erste vergisst man nie
Die Festplatte begeht ihren 60. Geburtstag. Zu diesem Jubiläum haben wir Doc Storage überredet, uns von seiner ersten Festplatte zu erzählen. Wie viele von uns, hatte auch er in den 80igern seinen Erstkontakt mit der Computertechnik – oder zumindest, was damals dafür galt. Nach einer heftigen Liaison mit einem 5,25-Zoll-Diskettenlaufwerk traf er seine erste große Liebe, die A590 mit 20 MByte.
Anekdote Doc Storage:
Gesehen aus der Perspektive der gesamten EDV habe ich eigentlich die Gnade der späten Geburt. Geboren 1967, blieben mir die dunklen 70er mit ABC- und Spectrum-Heimcomputern größtenteils erspart. Ich durfte mir meinen ersten Rechner selbst nach Verfolgung sämtlicher Folgen einer Samstag-Nachmittag-Fernsehreihe zusammenlöten. Ich denke, daher rührt meine unverbrüchliche Liebe zu allem, was man anfassen kann. Nun feiern wir den 60. Geburtstag der Festplatte, und ich möchte zum Jubiläum meinen diesmal etwas humoristischen Blick auf meine allererste Festplatte schildern.
Es war Mitte der 80er. Damals brach gerade das Quartär der EDV heran, die »offenen Systeme« hatten sich noch nicht in die Rechenzentren gefressen, Netzwerke waren größtenteils unbekannt, und das Internet döste noch auf einem amerikanischen Militärstützpunkt seiner späteren Unverzichtbarkeit entgegen. Wir alle, ich meine die Bande derer, die in den 70ern groß geworden sind, hatten uns von Nerds, die mangels eigenen Geldes ihre Nachmittage in den Spielzeugabteilungen der Kaufhäuser (ja, damals standen Rechner in den Spielzeugabteilungen), zu ernsthaft dreinblickenden, verpickelten Teenies gemendelt.
Doc Storage gehörte zur Commodere-Fraktion
Wir diskutierten die neuesten Computer, der C64 hatte gerade den VC20 abgelöst, man liest heraus, ich gehörte zur Commodore-Fraktion. Daneben gab es noch die Spielkälber, also Atari-Nutzer, die ihren Rechner nicht ernsthaft zum Umbauen, Ausbauen oder Programmieren nutzten, sondern »nur« damit spielen wollten. Sollten sie, aber mit diesem Kinderkram sollten sie uns doch bitte in Ruhe lassen. Wir hatten ernsthafte Themen zu besprechen, unterhielten uns allerhöchstens mit den armen Seelen, deren Eltern ihnen den Computer tatsächlich nur zum Lernen und Programmieren besorgt hatten, und außerdem diesem amerikanischen Krimskrams grundsätzlich nicht trauten – den Schneider-Anwendern. Ich weiß, ich weiß, es gab da noch welche, aber das waren damals für uns die Unberührbaren, mit denen keiner sprach – die Sinclairs. Das Ding konnte nichts, also hat man sich auch mit den Leuten nicht auseinandergesetzt. Ach ja, und da draußen, in den Büros, wurde gerade eine Seuche populär, die es entgegen aller vernünftigen Versuche von Apple, Commodore, Atari, Acorn und NeXT bis zum heutigen Tage geschafft hat – die PCs. Aber davon wussten wir kaum was, die hatte von uns noch nie einer gesehen. Ganz im Gegenteil zu den älteren Commodore Personal Electronic Transactors (ja, das hieß das PET auf dem Aufkleber), die bei uns in einem schäbigen fensterlosen Räumchen in der Schule rumstanden und von unserem Physiklehrer aus dem Tertiär der 70er herübergerettet worden waren. Habe ich erwähnt, dass ich meine PETs bis heute liebe?
Ich schildere das, damit die Umgebungsdaten für meinen Kulturschock im Oktober 1987 klar werden. Vorher gab es Rechner, VC20, C64, einen sehr schnell ausgetauschten C128, dann den ersten Amiga, den 1000er, eineinhalb Jahre später den kompakten 500er. Alle Computer bis zum C128 hatten einen Hauptspeicher, den man entweder manuell beschreiben oder aber mit Code von einer stinknormalen Audiokassette befüllen musste. Dieses Medium, wie gesagt, ich gehörte zu den Guten, zur Commodore-Gang, zog sich vom Anfang meines informatischen Denkens bis zum C64 hin, also knappe zehn Jahre.
Mit 5,25-Zoll-Disketten fing alles an
Schon bald erblickte ich in der Spielzeugabteilung des ortsansässigen Kaufhauses neben dem C64 die 1541, damals der Codename für das Land der Glückseligkeit. Ein 5,25-Zoll-Diskettenlaufwerk, welches nochmal so groß war wie der Brotkasten selbst. Das war auch keine Kunst – Commodore hatte es sich einfach gemacht und in das Gehäuse einfach nochmal einen C64 geschraubt, welcher dann für den Betrieb des Laufwerkes zuständig war. Gleicher Prozessor, gleicher Hauptspeicher, meine Güte, was konnten wir basteln, danke nach Braunschweig, auch dreißig Jahr später! Die Disketten konnten einseitig 165 KByte speichern, drehte man sie um, lochte sie geschickt, konnte man das verdoppeln. Aber das Beste war die Geschwindigkeit, man musste weder spulen noch suchen noch irgendetwas, man gab einfach das LOAD,8,1 ein (komisch, das ist wie Radfahren), es machte ein knarrendes Geräusch, und schwupps war der Code da. Genial. Ich lag meinen Eltern und Großeltern so lange in den Ohren, bis schließlich eine 1541 zu mir nach Hause kam. Damals für über tausend Mark, man stelle sich das vor! Habe ich erwähnt, dass man mit geschickter Anpokung (die Experten wissen, was ich meine) des Schreib-Lese-Kopfes mit dem Ding sogar Musik machen konnte?
Beim Studentenjob funkt es
Aber ich schweife wieder ab. Ich wechsele vom Perfekt ins Präsens, um die Dramatik zu steigern. Es ist Oktober 1987, und durch einen mehr als glücklichen Zufall habe ich einen Studentenjob im Allerheiligsten bekommen, bei Commodore in Braunschweig. Hier darf ich allerdings erstmal kaputte Kabel aussortieren, ozonhaltigen Toner in riesige Laserdrucker nachfüllen (danke, Axel, ich huste heute noch…) und allerlei andere Idiotenjobs. Aber ich bin da, wo es geschieht, in der Friedrich-Seele-Straße.
Die A590 besaß, für damalige Zeiten, gigantische 20 MByte Speicherplatz sowie eine 2 MByte große RAM-Erweiterung (Bild: Sebastian Gerstl/digisaurier.de).Irgendwann wird mir mit ernster Miene ein Amiga 500 übergeben, das neueste Modell, einen Farb(!)monitor 1084S, eine Speichererweiterung A501 für die »Falltür« und dann, als ob das noch nicht genug gewesen wäre, eine A590. Eine leibhaftige Festplatte. Diesen Begriff kannte ich bisher nur aus den von Commodore abgelabelten Mitac-PCs, und die auch nur aus Entfernung. PCs, bäh, sowas fasst doch niemand an. Zuhause angekommen alles in den vierten Stock gewuchtet, und diejenigen, die sich erinnern können, wie groß allein die A500-Verpackung war, werden diese Leistung anerkennen. Den Monitor auf den geschwind mit dem Unterarm leergefegten Schreibtisch, den Amiga aus der Verpackung, die A501 unten rein, die A590 an die Seite, alle Stecker rein, die – bis heute – robusteste Maus der Welt angeschlossen und los ging's. Ein MByte RAM im Rechner, zwei MByte in der A590, dazu eine 20 MByte große Festplatte, rund 25 Disketten voll, man glaubt es nicht. Der A590 liegen zwei Disketten bei, die müssen eben noch schnell installiert werden, dann kann es losgehen.
Den Rechner eingeschaltet, und schon blinken die beiden Festplatten-LEDs, das kann nichts Gutes heißen. Ein Anruf bei den Kollegen (wer liest schon Handbücher?) ergibt, dass das heißt, dass man einen DIP-Switch (die Älteren werden noch wissen, was ich mit »Mäuseklavier« meine) umsetzen soll, der dem Controller klar macht, ob eine SCSI- oder XT-Platte angeschlossen ist. Man hatte mir gnädigerweise eine Seagate-SCSI-Platte verbaut, aber den Schalter vergessen. Kein Problem. Vier Schrauben auf, Schalter umgesetzt und das Gehäuse in die Ecke geworfen, offen sieht's sowieso viel professioneller aus.
Die ersten Festplatte hatte 20 MByte
Nach dem Start mit der einschlägigen Diskette wird das Betriebssystem installiert. Liebe Herrschaften aus der Linux- oder Windows-Fraktion – nicht etwa von einer DVD, wie es heute üblich scheint, nein, von drei(!) DD-Disketten. Das Ganze ist in fünf Minuten erledigt, wenn man die drei Stunden für das Formatieren der Platte außer Acht lässt. Nach der dritten Diskette fordert das freundliche OS auf, den Rechner einmal aus- und wieder anzuschalten. Gesagt, getan. Ich habe das hässliche Geräusch bis heute in den Ohren, da sich mein linkes zum Zeitpunkt des Anschaltens direkt neben der Platte befindet – das Netzteil liegt halt auf dem Boden, der Schalter ist am Netzteil. Die Töne bewegen sich irgendwo zwischen Schwingschleifer und angreifendem Bussard, auf jeden Fall nicht gesund. Dazwischen ein komisches Knacken. Sofort wieder bei den Kollegen angerufen und den Hörer an die Platte gehalten. Nun ja, das wäre bei manchen Platten aus der Seagate-Reihe so, ich könne mir aussuchen, ob als Ersatz nun eine SCSI- oder XT-Platte herhalten soll, ist egal, komm her, hol Dir eine ab, am besten zwei, falls das nochmal passiert. Also wieder ins Büro, Platten abgeholt, und nach einigen Stunden stellt sich heraus, dass das mit den zwei Ersatzplatten keine dumme Idee war. Aber die dritte ist dann genauso zuverlässig wie die Maus. Elendig langsam mit ihren über 60 Millisekunden, aber dafür bei geöffnetem Gehäuse eine unschlagbare Wärmeplatte für meinen Kaffee, so heiß, dass ich von Plastik- auf Porzellantassen umsteige.
Die A590 hat der Doc bis heute
Und diese Kombination, A500/A501/A590, hat mich jahrelang begleitet. Es kamen A2000, A3000 und A4000, aber diese gingen auch wieder. Allein der A500 mit meiner allerersten Festplatte ist so geblieben, wie er war. Na gut, es war die dritte – aber die erste, die funktionierte. Damals hat uns das nicht gewundert, war ja Mechanik, musste ja kaputtgehen, irgendwann. Heute würde man den Hersteller durch alle Gazetten treiben. Aber man hat ja auch die Gelassenheit von damals verloren.
Ich bitte zu entschuldigen, dass ich so weit ausgeholt habe. Aber ich denke, die Geschichte wollte so erzählt sein.
Wie ist Ihre Geschichte zu Ihrer ersten Festplatte? Können Sie sich noch erinnern? Haben Sie sogar noch eines der alten Relikte?
Gruß
Doc Storage