Genderkorrekte IT-Sprache – muss das sein?
Kolumne Doc Storage:
Liebe Leser,
am Anfang dieser Woche ist mir aus CxO-Kreisen ein Dokument weitergeleitet worden, nachdem sich nun nach Meinung eines oder einer »Gleichstellungsbeauftragten« auch die EDV an eine »gendergerechte« IT-Sprache zu gewöhnen hätte. Mal ganz davon abgesehen, dass es mir schon vorher widerstrebt hat, unsere schöne, über Jahrhunderte entwickelte Sprache durch irgendwelche nichtsprechbaren Sternchen (Professor*innen), Unterstriche (Gender Gap, Professor_innen), oder Binnen-Is (ProfessorInnen) zu verhunzen, oder mir bei jedem geschriebenen Satz überlegen zu müssen, wie man etwas denn nun zwangsweise neutral ausdrücken könnte (»die Lehrenden«, »die Professur«…). Nein, nun sollen wir allen Ernstes auch gänzlich in nicht-menschlichem Zusammenhang gebrauchte Worte durch andere, politisch derzeit korrekte ersetzen:
- »Master« und »Slave« durch »Leader« und »Follower«
- oder »Primary« und »Replica«
- »Whitelist« durch »Allowlist«
- »Blacklist« durch »Denylist«
Neue Bezeichnungen sorgen für Verwirrung
Dies ist nur ein kurzer Auszug aus dem A4-Papier, nach dem wir uns in Zukunft bei einem großen Kunden zu richten haben. Das zeigt einmal mehr, wie wenig sich diese Herrschaften, überhaupt mit den Themenbereichen beschäftigen und uns mit diesem Blödsinn in den Wahnsinn treiben.
Erstens werden alle hier zu ersetzenden Begriffe, bis auf »Jungs« – was keiner ernsthaft jemals in einer Nachricht oder noch besser in einem Dokument benutzt hat – auf technische Definitionen bezogen. »Manntage« habe ich selbst schon Jahre nicht mehr gehört oder gelesen, heute geht es nur noch um »FTEs«, um Full-Time-Employees. Und das dürfte ja wohl neutral genug sein.
»Master« und »Slave« bezieht sich in den meisten Fällen auf Festplattenkonfigurationen oder andere technische Auslegungen. Mir ist nicht bekannt, dass jemals irgendeine Festplatte unter dem schrecklichen und widerlichen Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und Amerika gelitten hat.
»Blacklist« und »Whitelist« bezieht sich mitnichten auf Hautfarben, oder – bevor mir jemand damit kommt – darauf, dass Weiß in irgendeinem Falle besser ist als Schwarz. Vielmehr geht es darum, dass Licht auf eine Sache fällt, auch mehr in übertragenem Sinne. Die Einträge in einer Whitelist kommen zustande, indem man sich jeden einzelnen Eintrag anschaut und auf seine Auswirkung auf irgendein Thema analysiert, die Einträge einer Blacklist einfach nur dadurch, dass man diese auf die Liste setzt, ohne sie weiter zu analysieren.
Warum ich einen Dummy, der im schlimmsten anzunehmenden Fall als Begriff eine Schaufensterpuppe oder Attrappe repräsentiert, nun ersetzen soll, müsste mir jemand aus der einschlägigen Gemeinschaft einmal näher erklären. Hier ist in keinem Fall ein dummer (Mensch) gemeint, sondern eben eine Datei, die keine verwertbaren Daten enthält, oder eben ein Modell einer Hardware, die zwar verbaut ist, aber funktionslos ist.
Wie nun aber der »Sanity Check«, also die Plausibilitätsprüfung, auf diese Liste geraten ist, das kann ich mir in den buntesten Gedanken nicht ausmalen. Vielleicht kann mir ein Leser erklären, was der Begriff hier soll.
Gendergerechte IT-Sprache: Blödsinn oder sinnvoll?
Alles in allem, es scheint weiter zu gehen mit der zwangsweisen politischen Korrektur unserer Sprache. Wie oben zu sehen, werden tatsächlich auch bisher neutrale technische Geräte und Vorgehensweisen in diese Richtung korrigiert, und unsere tagtäglichen sehr bewährten technischen Ausdrücke in neue, völlig sinnfreie Schablonen gedrückt. Es bleibt bloß zu hoffen, dass diese Leute sich in kürzester Zeit wieder auf das konzentrieren, was ihre sehr ehrenvolle und unterstützenswerte Aufgabe ist: der Schutz von Menschen, die durch andere physisch und verbal unterdrückt werden. Aber bitte, lasst unser Fach damit in Ruhe!
Oder, wie stehen Sie zu politisch korrekten Fachbegriffen?
Gruß
Doc Storage
- Doc Storage: Die Zeit nach Corona: Ein Blick in die Zukunft
- Doc Storage: Bedeutet das Virus das Ende der Edel-EDV?
- Doc Storage: Datensicherheit per KI: Kümmern Sie sich lieber selbst
- Doc Storage: Ransomware: Sind Backups ein ausreichender Schutz?
- Doc Storage: Speichermarkt 2020 – Ein Ausblick