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Woran ist Limux in München gescheitert?

Leserfrage: Die Migration der Münchner-IT auf Linux und Open-Source-Anwendungen (Limux) wird nicht weiter betrieben. Läuft es besser, wenn alles von Microsoft kommt? Oder scheiterte es daran, dass man mit der Migration gleichzeitig die IT neu organisieren wollte? Am Ende überwiegen vielleicht die Gewerbesteuereinnahmen der zugezogenen Microsoft-Niederlassung die Kosten der Rückmigration. Die Entscheidung ist nicht verständlich dafür aber reichlich intransparent. In anderen Städten läuft es und Barcelona plant auch den Wechsel. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Antwort Doc Storage:

Zunächst einmal finde ich es persönlich merkwürdig, dass immer nur der »Fall« München betrachtet und auf deren anscheinend guten Beziehungen zu Microsoft rumgehauen wird. Man gehe wahlfrei in irgendeine deutsche Behörde und versuche ein Auto anzumelden, einen Personalausweis oder einen Gewerbeschein zu bekommen. In den meisten Fällen arbeiten die Beamten und Angestellten dort (immer noch) mit Soft- und größtenteils auch Hardware deutscher Hersteller, teilweise bereits in stattlichem Alter – ich habe noch nie gehört, dass sich darüber schon einmal irgendjemand beschwert hätte. Naja, das aber nur nebenbei...

Befreiungsschlag gegen Microsoft...

Die Stadt München wollte vor Jahren mehr oder weniger ein Exempel statuieren und sich aus der kommerziellen Umklammerung der US-Software-Schmiede befreien, sowohl was die Betriebssysteme als auch was die Anwendungen betraf. Es wurde ausgerechnet, dass Riesenbeträge einzusparen wären, müsste man nur nicht mehr die entsprechenden Lizenzen nach Seattle überweisen. Allerdings hat man damals die Kosten für die Schulungen der Mitarbeiter und vor allem des betreibenden IT-Personals wesentlich unterschätzt.

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Und – machte man mit Limux zwar einen Schritt weg aus der Umklammerung des Quasi-Monopolisten aus den USA, begab man sich (und jetzt schreckt die ganze OpenSource-Gemeinde auf und wetzt die Nägel, um mich an ihre Kreuze zu nageln) nur in die Abhängigkeit von einem anderen, wesentlich unzuverlässigeren Individuum. Denn im Linux-Umfeld geschieht nichts, das nicht im Ende von Herrn Thorvalds abgenickt wird. Jaja, ich weiß, jeder kann dort machen und veröffentlichen, was er will, aber Standard wird es eben erst, wenn Norwegen genickt hat. Und keine Kosten für die Betriebssysteme und Software zu haben, heißt eben nicht, keine Kosten für den Support zahlen zu müssen. Und diese Unterstützung ist im Linux-Umfeld meist genauso teuer, wenn nicht eben teurer als für die Standard-Windows-Umgebungen.

Und wenn dann noch kleine Gebrechen der Software hinzukommen wie damals das herrliche Versagen des Mailservers durch eine überlange Betreffzeile (auch hier: jaja, ich weiß, der Hersteller hat nie wirklich zugegeben, dass es an der Betreffzeile lag, aber nicht einmal zehn Tage später eine Version nachgeliefert, die dann eben nicht mehr abstürzte, komisch...), ist die Geduld der gestressten Anwender auch irgendwann am Ende.

Die Anwender wurden vergessen...

Die hat man nämlich bei dem gesamten Projekt links liegen lassen: die Anwender. Die Menschen, die mit dem arbeiten müssen, was man ihnen dort – aus welchen guten oder weniger guten Gründen auch immer – vorgesetzt hat. Und die Kunden natürlich, die einen unterbrechungsfreien genauso guten Service erwarten wie vorher und die es nicht kümmert, mit welchem Betriebssystem oder welchen Anwendungen ihr Ansprechpartner sich rumschlagen muss. Dass sich eine solche Linux-Umgebung mit den einschlägigen Applikationen doch teilweise erheblich von dem unterscheidet, was sie bisher, möglicherweise jahrzehntelang benutzt haben. Und dass man Menschen eben nicht vor eine solche völlig neue Kiste setzen, eine Woche schulen und dann damit allein lassen kann. Das können sich wirklich nur solche Menschen vorstellen, die es zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben, dass Software nichts mehr kosten darf. Funktioniert aber genauso gut wie weiland das papierlose Büro – nämlich überhaupt nicht.

Nun hat man sich also nach ständigen Beschwerden aus annähernd allen am Limux-Experiment beteiligten Referaten entschlossen, Windows 10 und Office wiedereinzuführen. Das wird mindestens zwei Jahre dauern, sagt Accenture, welche man als »neutrale« Instanz zur Analyse der momentanen Situation hinzugezogen hat. Bis Ende 2020 sollen also knapp 30.000 Rechner in und um München wieder mit – so steht es im Papier – »marktüblichen Standardprodukten« laufen.

US-Riese schlägt OpenSource-Gemeinde...

Man kann ja zu Microsoft stehen, wie man will – das Limux-Projekt hat die OpenSource-Gemeinde eigenhändig versemmelt. Die Entscheidung für professionelle Software ist absolut verständlich und überhaupt nicht intransparent – man möchte eben mal einen Tag ohne Bugs, ständige Anrufe beim Support und den revolverartigen Austausch von Systemen arbeiten können.

Ich wüsste gern einmal, in welchen Städten – von der Größe Münchens – es tatsächlich »läuft«. Und Barcelona plant den Wechsel? Da ist es wahrscheinlich gut, dass die Stadtverwaltung momentan ganz andere Probleme haben dürfte...

So, das Kreuz steht - die OpenSource-Gemeine kann mich jetzt gern annageln...

Gruß
Doc Storage

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