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Der Overland-Fall – lebt weiter

Eigentlich waren sich alle Streitparteien sicher, dass ein von Overland Storage in 2010 angestrengter Patentprozess letzte Woche zu Ende hätte gehen sollen. Ging er aber nicht. Wie so oft: Vor Gericht und auf hoher See.... Overland bewertet es jedenfalls in einer PR-Meldung positiv – sehe ich nicht so.

Doch der Reihe nach. Und auch als Erklärung dafür, warum ich es dieses Mal als Blog bringe, und nicht als offizielle News. Eine News ist es freilich – aber hier möchte ich mal etwas Meinung einmischen, und das wäre in einer News eher grenzwertig.

Kurz zum eigentlichen Fall, und die Entwicklung bisher. Overland hatte 2010 Dell, IBM und BDT wegen Verletzung zweier Patente bei Tape-Librarys verklagt. Mit Dell und IBM einigte man sich außergerichtlich. Die deutsche BDT aus Rottweil aber, die in diesem Fall die Tape-Librarys auf OEM-Basis für IBM und Dell herstellte, gibt nicht klein bei und wehrt sich vehement. Zunächst schien BDT Ende Juni Recht zu bekommen. Denn ein Verwaltungsrichter (Administrative Law Judge, ALJ), den die U.S. International Trade Commission (ITC) zur Begutachtung beauftrage, entschied: Die Patente dürften zwar verletzt sein – aber es ist nicht sicher, ob zu diesem Zeitpunkt, als BDT die Technologie verwendete, die Patente überhaupt gültig seien.

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Kernfrage: Waren die Patente überhaupt gültig?

Unstrittig scheint zu sein, dass Overland zwar tatsächlich die Patente später anmeldete – aber die Technologie im Handout zu einem Produkt beschrieb, das damals schon auf dem Markt war. Knackpunkt ist nun: War das Dokument öffentlich zugänglich – wie BDT betont, womit auch die nachfolgende Patentanmeldung hinfällig wäre –, oder war es, wie Overland argumentiert, nicht öffentlich zugänglich?

Fakt ist nun, die ITC wollte es nicht endgültig bewerten, und überwies den Fall nun an den ALJ zurück. Interessanterweise wertet dies Overland jetzt sozusagen als Sieg. Denn man habe nun die Chance bekommen, zu beweisen, dass die Patente gültig seien. Original-Zitat aus der PR: »We welcome the opportunity to continue to prove the validity of our claims on the '766 patent, and we are quite happy with the findings related to the '581 patent«, lässt sich Overland CEO Eric Kelly zitieren.

Oha, denke ich mir da. Jetzt – nach mehreren Jahren – will man erst beweisen, dass eines der Patente gültig ist? Was hatte man denn dann damals für Argumente vorgebracht, als man das Patent beantragte?

Zurücküberweisung des Falls an den ALJ soll positiv sein?

Interessant wird das ganze, wenn man nicht nur die Overland-PR anschaut, sondern auch das ITC-Dokument. Zum 766er Patent heißt es: »Specifically, the Commission affirms, with modified reasoning, the ALJ's finding that the BDT Respondents did not contributorily infringe the asserted claims of the '766 patent.« Und zum 581er Patent: »The Commission affirms, with modified reasoning, the ALJ's finding of noninfringement. The Commission also affirms, with modified reasoning, the ALJ's finding that the '581 patent was not shown to be invalid.«

Dass zumindest dieses eine Patent wohl gültig ist, nahm Overland Ende Juni zum Anlass, sieben weitere Firmen zu verklagen: Quantum, Spectra Logic, PivotStor, Qualstar, die deutsche und die britische Niederlassung von Tandberg Data sowie der singapurianische Elektronik-Auftragsfertiger Venture Corporation Limited. Teilweise gab es heftige Gegenklagen darauf.

Also wenn ich das Marketing aus der Overland-PR herausnehme – dann bin ich mir überhaupt nicht sicher, ob die Entwicklung gut für Overland ist. Das ursprüngliche Statement vom ALJ war eher positiv für BDT – da müssen nun schon gewichtige Argumente kommen, damit es hier eine deutlichere Meinungsänderung gibt.

Der Fall beleuchtet auch ein anderes Thema: Compliance

Wie auch immer. Nächstes Final-Datum für die neuerliche Untersuchung wurde von der ITC auf 25. März 2013 terminiert. Auf der »SNW Europe 2012«, die morgen in Frankfurt beginnt, ist jedenfalls für Gesprächsstoff gesorgt.

Übrigens, noch ein Punkt ist in dem Verfahren – egal wie es ausgeht – interessant, und zwar für alle in der IT-Industrie und in Unternehmen generell: Die ITC hat nämlich ein Problem mit den von IBM vorgelegten Dokumenten. Zitat: »In addition, the Commission reverses the ALJ's finding that the IBM documents related to the IBM 3570, 7331, 7336, and 3494 tape libraries do not qualify as "printed publications" under 35 U.S.C. § 102, but affirms the ALJ's finding that the IBM documents related to the IBM 3575 tape library do not qualify as "printed publications"«. Das riecht nach einem Compliance-Problem – so oder so.

Herzlichts
Ihr Engelbert Hörmannsdorfer
(Sie sind anderer Meinung? Ich behaupte nicht, dass ich richtig liege. Schließlich balgen sich hier hochbezahlte Rechtsanwaltskanzleien. Dann diskutieren Sie unten unter »Kommentar schreiben« mit. Ist ja schließlich ein Blog....)

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