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Storage-Branche muss sich auf Halbleitertechnologien einstellen

Die Storage-Branche ist im Umbruch. Flash war erst der Anfang. Doch mit PCM (Phase Change Memory), RRAM bzw. ReRAM (Resistive Random Access Memory) oder Racetrack stehen weitere Halbleitertechnologien in den Startlöchern, die die Festplatten zunehmend bedrängen. Ein Ausblick von IBMs scheidendem Storage-Papst Kurt Gerecke kürzlich auf den »IBM Storage Strategy Days« in Ehningen.

Von Engelbert Hörmannsdorfer

Faktor eine Million: die große Performance-Kluft zwischen DRAM und Festplatten (Bild: IBM)Faktor eine Million: die große Performance-Kluft zwischen DRAM und Festplatten (Bild: IBM)Die Entwicklung immer schnellerer und leistungsstärkerer nichtflüchtiger Halbleiterspeicher schreitet unaufhaltsam voran. Flash war erst der Anfang. Viele Unternehmen haben bereits Muster der nächsten und übernächsten Generation von Speichermedien vorgestellt.

Der Hintergrund ist, dass die Festplattentechnologie – sowohl bei der Performance als auch bei der Speicherdichte – nun immer deutlich ans Ende der Fahnenstange kommt. »Eigentlich haben wir Schleich-Kriech-Platten«, süffisiert IBMs Storage-Papst Kurt Gerecke, der nach über 30 Jahren bei IBM in diesen Tagen in den Ruhestand geht. Trotz der bösen Umschreibung – Gerecke liebt eigentlich Festplatten, haben sie doch sein Berufsleben intensiv geprägt.

Aber es geht eben nicht mehr richtig weiter. Die einzelnen magnetischen Domänen bei der Festplattenbeschichten erreichen nunmehr Größen von 20 nm (Nanometer), und hier beginnt die Gefahr des superparamagnetischen Effekts. Heißt: Aber unter 20 nm verlieren die Partikel ihre ferromagnetischen Eigenschaften. Als Folge kann die Speicherdichte nicht mehr erhöht werden, da sonst Datenverlust der aufgezeichneten Daten droht.

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Soooo langsam sind Festplatten wirklich

Storage-Kenner Kurt Gerecke von IBM (Bild: speicherguide.de)Storage-Kenner Kurt Gerecke von IBM (Bild: speicherguide.de)Speicherdichte ist das eine, Performance ist der nächste Punkt. Während Prozessoren und DRAM-Speicher hier in riesigen Technologieschritten zulegten, konnten Festplatten nur marginale Fortschritte erzielen. Die schnellsten der schnellsten Festplatten nähern sich der Marke 1 ms (Millisekunde) Zugriffszeit. DRAMs nähern sich dagegen bereits der 1-ns-Grenze (Nanosekunde). Das heißt: Hier liegt der Faktor eine Million dazwischen!

Gerecke rechnet vor: Wenn man das aus Anschauungsgründen verschiebt, der DRAM-Speicher wäre nur 1 Sekunde schnell, und würde nun eine Anfrage an die Festplatte stellen, dann würde die Festplatte erst nach einer Million Sekunden – oder 11,6 Tagen – antworten. Damit ist klar ersichtlich: Die Festplatten kommen mit den heutigen Anforderungen nicht mehr mit.

Zwar arbeiten die Festplattenhersteller an neuen Technologien, beispielsweise dem »Heat-Assisted Magnetic Recording« (HAMR). Aber wie der Name schon sagt, benötigt HAMR eine Energiequelle, um den Bereich zu erhitzen, auf dem Daten gespeichert werden sollen. Momentan wird hier mit Lasern experimentiert. Durch das Erhitzen lässt sich das benötigte Magnetfeld klein halten und das Schreiben trotz eines geringen superparamagnetischen Effektes ermöglichen. Letztendlich würde laut Gerecke dies aber nur die Speicherdichte erhöhen, während die Performance sogar zurückgehen könnte: »Das Erhitzen braucht Zeit, es muss also langsamer, und voraussichtlich sogar teurer sein.«

Flash springt in Performance-Lücke

Festplatten öffneten also eine gewaltige Performance-Lücke – und in diese sprang Flash, und erobert derzeit die Rechenzentren. Dabei kann Flash die Lücke noch nicht mal komplett schließen. Die schnellsten der schnellen Flash-Systeme kratzen wohl in absehbarer Zeit an der µs-Marke (Mikrosekunde). Das bedeutet: Zwischen DRAM und Flash liegt weiterhin eine große Lücke, nämlich der Faktor Eintausend. Aber das löst schon mal viele Performance-Probleme.

Natürlich arbeiten die Flash-Protagonisten – wie beispielsweise Toshiba, Samsung oder Micron – an Verbesserungen der Flash-Technologie. Flash dürfte wohl deshalb auch noch in den Nanosekunden-Bereich eindringen, aber wohl nicht sehr weit. Dagegen wird Flash noch stark bei der Speicherdichte zulegen. Seit kurzem werden nämlich die Schichten im Chip übereinander gestapelt. 3D-Flash nennt sich das. Samsung liefert bereits Chips mit 32 Schichten aus. Die Verfolger stehen in den Produktionsstartlöchern. Die nächsten 3D-NAND-Flash-Generationen werden 64 bzw. 128 Schichten haben, mit den entsprechenden Kapazitätssprüngen.

Auch Intel kündigte zusammen mit Micron ein neue Halbleiter-Speichertechnologie an: »3D XPoint« nennt sie sich, und dürfte wohl eine 3D-PCM-Technologie sein. Intel/Micron peilen als Markteintritt 2016 an.

Flash-Alternative »Phase Change Memory« (PCM) steht vor der Tür

So dürfte sich PCM (Phase Change Memory) zwischen DARM und Flash-Storage positionieren (Bild: IBM)So dürfte sich PCM (Phase Change Memory) zwischen DARM und Flash-Storage positionieren (Bild: IBM)Ein Alternative zu Flash, die auch die restliche Performance-Lücke zum RAM-Speicher schließt, sieht Gerecke vor allem im »Phase Change Memory« (PCM). Dies ist im weitesten Sinne ein Mittelding aus Flash und DRAM. Es soll 10.000 Mal haltbarer als Flash bei den Schreibzugriffen sein, benötige weniger Overhead im Software-Stack, und soll relativ bald nach der Einführung zu vergleichbaren Preisen wie NAND-Flash zur Verfügung stehen.

Die PCM-Einführung erwartet Gerecke übrigens bereits im nächsten Jahr. Denn die Hersteller hätten bereits Muster dieser nächsten und übernächsten Generation von Speichermedien vorgestellt. IBM sprach schon früher davon, dass PCM nächstes Jahr eingeführt werden sollte, und Gerecke betonte dies ebenfalls nochmals: »Für PCM beginnt die Blütezeit ab 2016.« Seine Zuversicht begründet der IBM-Storage-Evangelist unter anderem damit, dass PCM-Chips bereits in einigen mobilen Consumer-Electronic-Geräten wie Smartphones eingebaut sind – die meisten Anwender wüssten dies nur nicht.

Auch SST-RAM billigt Gerecke gute Entwicklungschancen zu. Was die Leistungseckdaten anbelangt, konkurriert es in erster Linie mit PCM.

»Racetrack« ist interessant – aber wann kommt es?

So füllen die neuen Halbleiter-Speichertechnologien die Performance-Lücke zwischen DRAM und Festplatten (Bild: IBM)So füllen die neuen Halbleiter-Speichertechnologien die Performance-Lücke zwischen DRAM und Festplatten (Bild: IBM)Seit über zwölf Jahren arbeiten IBM-Fachleute an magnetisierbaren Nanodrähten, die einmal die Grundlage eines vollkommen neuen Speichermediums sein können. Bei »Racetrack« (i.e. »Rennstrecke«), so nennt sich die neue Speichertechnologie, nutzen die Entwickler den Spin von Elektronen, um Daten mit einer Geschwindigkeit von vielen hundert Stundenkilometern zu atomgenau präzisen Stellen entlang der Nanodraht-Schleifen (Racetracks) hinzubewegen. Die Miniaturdimensionen und die Speichermöglichkeiten sind enorm: IBM erwartet für die ersten Versionen rund ein Hundertstel der Zugriffszeit heutiger SSDs. Gleichzeitig soll sich die Speicherdichte mindestens verzehnfachen.

Racetrack arbeitet vollkommen anders als bekannten Speicherarchitekturen. Anstatt den Computer Daten suchen zu lassen wie in traditionellen Rechnersystemen, schiebt der IBM-Racetrack-Speicher automatisch die Daten dort hin, wo sie benötigt werden, indem magnetische Bits in schleifenförmigen Nanodrähten (Racetracks) bewegt werden. Noch ist Racetrack im Laberstadium, bzw. es gab schon einmal eine öffentliche Demo. Fest steht, dass Racetrack deutlich schneller und dichter speichern und wesentlich weniger Energie verbrauchen wird.

Und wann kommt Racetrack? Früher deutete IBM mal an, dass es 2014 kommen könnte. Da sind wir schon drüber hinaus. Gerecke hält jetzt 2020 für einen guten Zeitpunkt.

Neuordnung der Speicherhierarchie ab 2016

So könnte schon am 2016 die Neuordnung der Speicherhierarchie mit neuen Halbleiter-Speichertechnologien aussehen (Bild: IBM)So könnte schon am 2016 die Neuordnung der Speicherhierarchie mit neuen Halbleiter-Speichertechnologien aussehen (Bild: IBM)Und so könnte die Neuordnung der Speicherhierarchie ab 2016 in etwa aussehen: PCM schließt die momentan noch bestehende Perfomance-Lücke zwischen Flash und DRAM, Flash weitet seine technischen Möglichkeiten aus, und knabbert weiterhin vor allem kräftig am Festplattenanteil – und Tape erlebt eine richtige Renaissance als immer wichtiger werdender kostengünstiger Archivspeicher.

Innerhalb des Festplattensegments wird es noch die Verschiebung geben, dass die klassischen 15.000-U/min-Laufwerke als leistungsstarke Tier-1-Speicher vollständig von SSDs verdrängt werden. Langsamere und kostengünstigere Festplatten werden dagegen einen Großteil der nur noch »lauwarmen« bzw. »kalten« Daten abfangen, bevor diese endgültig auf Bandlaufwerken ins Archiv wandern.

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