Trends 2019 bei Künstlicher Intelligenz: Daten & Vertrauen
Die von deutschen Produktionsunternehmen meistgenutzten Anwendungen (Bild: iit, in Anlehnung an Sopra Steria Consulting 2017).Wohl kaum ein Thema aus dem Bereich von Daten und Datenverarbeitung generiert im Augenblick mehr Aufmerksamkeit als Künstliche Intelligenz (KI). Sollen doch mit Hilfe der kunstvollen maschinellen Datenanalyse mehr und ganz neue Erkenntnisse aus den Datenbergen gefischt werden.
Das setze allerdings voraus, dass sich CIOs auch mit dem Thema auseinandersetzen, fordert Rubrik, ein Spezialist für Datenmanagement in der Cloud. Dabei seien, so Rubrik weiter, verschiedene technologische Bereiche zu differenzieren. Roland Stritt, Director Channels EMEA bei dem Unternehmen: »KI erlaubt der Technologie, etwas zu simulieren, was normalerweise der Mensch tun würde, ML geht über die Simulation hinaus und beginnt selbständig zu lernen.«
Den größten Erfolg hätten Unternehmen, die die gesamte digitale Transformation mit KI-gestützter Analyse und Automatisierung von Daten unterlegen. Beispiele gefällig? Hier kommen sie: prädikative Modellierung des Produktabsatzes, Analyse der Kundendaten, Optimierung der Produktion, Produktivitätserhöhung beispielsweise durch sprachverarbeitende Anwendungen.
Künstliche Intelligenz in der IT-Sicherheit
Die Anwendungen mit dem größten Potential in Produktionsunternehmen (Bild: iit, in Anlehnung an Sopra Steria Consulting 2017).Auch in der Sicherheitstechnik lasse sich KI verwenden, etwa, um normales von abweichendem Nutzerverhalten zu unterscheiden, betont Rubik. Tatsächlich beginnen Sicherheitsspezialisten, Künstliche Intelligenz als reguläre Komponente für die intelligente Datenanalyse in ihre Systeme zu integrieren. McAfee hat beispielsweise eine Reihe seiner Profi-Produkte mit KI ausgerüstet, genauso Trend Micro.
Mehr (künstliche?) Intelligenz bei der Überwachung von Netzen und Daten einzusetzen, scheint auch dringlich, denn das Jahr 2018 glänzte durch einige wahrhaft spektakuläre Hacks, beispielsweise wurden 500 Millionen Datensätze, die die Hotelgruppe Marriott gespeichert hatte, gehackt, und erst Anfang Januar 2019 gerieten Daten Hunderter deutscher Politiker an die Öffentlichkeit.
Jörg von der Heydt, Skybox SecurityLaut Jörg von der Heydt, Channel Director DACH bei Skybox Security soll Ransomware nun durch Cryptojacking – das unbemerkte Mining von Bitcoins mit fremder Rechenleistung – zur beliebtesten Form der Schadsoftware werden. Weitere Schwerpunkt-Schädlinge: Fingierte Chatbots, wieder einmal Ransomware und Angriffe auf undichte Mobilsoftware.
Allerdings weist das KIT (Karlsruher Institut für Technologie) in seiner jüngst veröffentlichten Roadmap für Cybersicherheitsforschung auch auf Sicherheitsrisiken durch ML-Algorithmen hin. Sie könnten in der Lernphase gezielt manipuliert und in der Nutzungsphase leicht angegriffen werden. »Bevor diese Technologien in kritischen Bereichen oder zur Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt werden können, muss das Vertrauen in diese Verfahren und in deren Zuverlässigkeit auf ein wissenschaftliches Fundament gesetzt werden«, fordert Professor Thorsten Holz von der Ruhr-Universität Bochum.
Da trifft es sich gut, dass KI in oder aus der Cloud von NetApp als einer der wichtigen Trends beachtet wird. Besonders die eben geschmähten Chatbots und prädikative Anwendungen würden, so der von Netapp geortete Trend, in die Cloud verlagert. Unterschiedliche Datenformate und -quellen müssen dort konsolidiert und letztlich gemeinsam analysiert werden.
Das bedeutet, dass das Datenmanagement wichtiger wird, und zwar »as a Service«. Das sollte möglichst auch in Multicloud-Umgebungen, laut Netapp ohnehin bald die wichtigste Unternehmens-Infrastruktur, funktionieren. Das ideale Datenmanagement soll sich auf alle Datenstandorte und Systeme anwenden lassen. Dazu sollen Datenformate und die Datenübertragung vereinheitlicht werden, sonst lassen sich Datenbestände schlecht von Cloud zu Cloud übertragen oder gemeinsam verwalten. Ansätze dazu zeigen sich in Technologien wie der Datenvirtualisierung.
Bei KI-Einsatz ist die Produktionsbranche Spitzenreiter
Anteil der Großunternehmen und KMU, die in den genannten Bereichen mindestens in geringem Umfang KI einsetzen (Bild: iit).Einig ist man sich seitens der Fachleute auch darüber, dass Künstliche Intelligenz in der Industrie erfolgversprechend zur Steigerung der Wertschöpfung einsetzen lässt. Laut einer Studie des Berliner Instituts für Innovation und Technik (iit), die im Auftrag des BMWI (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) und im Rahmen der Begleitforschung zum Technologieprogramm PAiCE (Platforms Additive Manufacturing, Imaging, Communication, Engineering) entstand, liefert Zahlen: Danach soll die deutsche Wertschöpfung durch KI in den kommenden fünf Jahren auf 31,8 Milliarden Euro steigen, das ist ein Drittel des erwarteten Gesamtwachstums. In Prozenten macht das jährlich 0,69 Prozent zusätzliches Wachstum aus, was nicht mehr ganz so gewaltig klingt.
Die robotergestützte Automatisierung von Prozessen wird mit 31 Prozent von Produktionsunternehmen am breitesten genutzt. Aber 45 Prozent der produzierenden Unternehmen verwenden noch keine KI, KMUs hängen beim Einsatz von KI zurück. Hemmschuhe des KI-Einsatzes sind unter anderem Datenverfügbarkeit und Datenqualität. Besonders vielversprechend sind nach dieser Studie die Anwendungen Predictive Analytics, Robotik, intelligente Assistenzsysteme, Automatisierung und Sensorik.
Netapp-Studie: Roboter auf der Siegerstraße
Netapp hat eine Befragung bei 120 IT-Experten aus Automatisierung, Finanzwesen, Produktion, Finanzen und Gesundheitswesen durchgeführt. Sie bestätigt die Ergebnisse der vorgenannten Umfrage. So gaben 66,7 Prozent der Umfrageteilnehmer an, robotergestützte Automatisierung zu nutzen. Weitere 60 Prozent beschäftigten sich mit der Automatisierung der Lieferkette. Predictive Maintenance, also vorbeigende, datengestützte Wartung, ist laut Netapp inzwischen weit verbreitet. Dennoch: 46,7 Prozent der Befragten befanden sich erst im ersten Jahr des KI-Einsatzes.
Vorbehalte der Anwender ergaben sich hinsichtlich der Befürchtung hoher Kosten durch die Digitalisierung, beispielsweise durch die Erneuerung von IT-Infrastrukturen, aber auch hinsichtlich des Zeitaufwandes und Datenschutzes.
Von den Teilnehmern aus dem Gesundheitswesen äußerte sogar die Hälfte Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. Weitere Eigenheiten aus dem Gesundheitswesen: In 37 Prozent der Unternehmen bestimmt der Chef die Projektrichtlinien von KI-Projekten, weiß aber nicht, warum es implementiert wird. Das wichtigste Ziel mit 63 Prozent Nennungen ist ein früheres Erkennen von Seuchen oder Erkrankungen, gefolgt von der vorbeugenden Wartung der Geräte (60 Prozent) und dem Einsatz von Pflegerobotern (40 Prozent).
Nutzer wollen mehrheitlich keine App-Kontrolle
Der Arzt mit Tablet ist heute immer öfter Realität, dass er vom Gerät aus auf eine KI zugreift, wohl eher noch eine Ausnahme (Bild: Vmware)Endnutzer sind relativ skeptisch hinsichtlich des KI-Einsatzes im Bereich Gesundheit: Nach einer Untersuchung von VMware möchten 61 Prozent der 2.000 im Herbst 2018 befragten deutschen Verbraucher lieber von einem menschlichen Arzt operiert werden als von einem Roboter, und zwar selbst dann, wenn letzteres den Heilungsprozess beschleunigen würde. Allerdings gibt es, so zumindest eine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters im Oktober 2017 in Berufung auf universitäre Studien, für schnellere Heilung durch Roboter-OPs auch keine Evidenz.
Immerhin: Deutsche glauben zu etwa einem Drittel, KI könne zur Verbesserung der medizinischen Versorgung beitragen und die Lebenszeit verlängern. Dreinreden, beispielsweise in die Ernährung, will sich von einer Künstlichen Intelligenz jedoch kaum jemand lassen (Zustimmung: 20 Prozent). Ältere wollen KI-Kontrolle nur zu 14 Prozent dulden, junge Leute stehen externer KI-Kontrolle von Gesundheitsverhalten zu 40 Prozent aufgeschlossen gegenüber – kein Wunder, sie haben noch keine Diktatur erlebt.
39 Prozent der Befragten meinten bei der Vmware-Untersuchung übrigens ganz generell, durch die neuen Technologien die Kontrolle zu verlieren. 42 Prozent wollen Daten zum persönlichen Verhalten nicht herausgeben, und 63 Prozent wissen nicht, wer Zugriff auf ihre persönlichen Daten hat. Allerdings geben 42 Prozent auch zu, zu wenig über KI, IoT oder Blockchain zu wissen.
Visionen ohne das nötige Personal
Diesem eher skeptischen Meinungsbild stehen optimistische Visionen seitens der Industrie gegenüber – etwa der Traum vom überall verfügbaren Medizinwissen, das jeder Hausarzt auf seinem Schreibtisch vorfindet und das Entscheidungen nach transparenten Regeln trifft. Die dazu nötige Informationsverarbeitung übernehmen neuronale Netze fürs maschinelle Lernen. Nachteil der Methode: Nachvollziehen lässt sich der Entscheidungsweg nicht, insbesondere nicht bei Systemen, die ständig weiter dazulernen. Denn die Gewichtungen im neuronalen Netz und damit möglicherweise auch die Ergebnisse ändern sich mit jedem neuen Lernvorgang.
Christian Lorentz, Netapp: »Die KI wird bestenfalls Assistenzarzt« (Bild: Netapp).In diesem Zusammenhang rät der KI-Experte Christian Lorentz, Senior Product Marketing Manager bei Netapp, gut vortrainierte Systeme zu verwenden, die zwar aktualisiert werden können, nicht aber bei jeder Untersuchung dazulernen und die letzte Entscheidung immer beim menschlichen Arzt lassen. Lorentz: »Die KI wird bestenfalls Assistenzarzt.«
Praktische Versuche sind durchaus erfolgversprechend: So arbeitet im Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Krankheiten auch ein HPE Superdome Flex mit 160 TByte Memory zur in-Memory-Datenanalyse mit. Er dient dazu, Datenquellen zusammenzuführen und damit neue Erkenntnisse zur Entwicklung individuelleren Vorbeugungs- und Behandlungsmaßnahmen auf Basis von molekularbiologischen Analysen und Verfahren zu entwickeln. Am NCT (National Center for Tumor Diseases) in Heidelberg arbeitet ein SAP-HANA-System mit ähnlichen Zwecken.
KI-Bildungsoffensive gefordert
Güner Aksoy, Pure Assistenzarzt oder Professor –KI wird wohl keins von beidem werden, wenn nicht bald mehr Fachleute hierzulande zur Verfügung stehen. Darauf weisen auf der Basis von Befragungen und Studien landauf, landab Wirtschaftsinstitute, Lobbyverbände und auch Unternehmen hin. Zum Beispiel Güner Aksoy, Regional Sales Director Central Europe bei Pure Storage: »Der Mangel an KI-Expertise wächst, in diesem Jahr wird sich der Wettbewerb um technische Fachkräfte nochmals verschärfen.« Es drohe ein Innovationsvakuum bei Startups und KMUs.
Abhilfe sollen auf die Bedürfnisse des Marktes zugeschnittene Bildungsangebote, KI-spezifische Praktika, flexible Universitätslehrpläne und »neue Instrumente« (Aksoy) die Einführung von Künstlicher Intelligenz erleichtern und die Ausbildung von KI-Fachkräften verkürzen. Wer weiß, vielleicht kommt bald der Dozenten-Roboter, der den Studentinnen und Studenten das KI-Wissen per Kabel direkt ins Gehirn träufelt. Aber das wäre wahrscheinlich auch für junge Leute eindeutig zu viel Kontrolle.